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Der Albatros Oft kommt es dass das schiffsvolk zum vergnügen Die albatros - die grossen vögel - fängt Die sorglos folgen wenn auf seinen zügen Das schiff sich durch die schlimmen klippen zwängt. Kaum sind sie unten auf des deckes gängen Als sie - die herrn im azur - ungeschickt Die grossen weissen flügel traurig hängen Und an der seite schleifen wie geknickt. Der sonst so flink ist nun der matte steife. Der lüfte könig duldet spott und schmach: Der eine neckt ihn mit der tabakspfeife Ein andrer ahmt den flug des armen nach. Der dichter ist wie jener fürst der wolke - Er haust im sturm - er lacht dem bogenstrang. Doch hindern drunten zwischen frechem volke Die riesenhaften flügel ihn am gang. Charles Baudelaire übersetzt von Stefan George
Brigitte B. Ein junges Mädchen kam nach Baden, Daß aber dabei die Tournüre Brigitte B. war sie genannt, Für die Baronin vor der Stadt Fand Stellung dort in einem Laden, Gestohlen worden sei, das schnüre Wo sie gut angeschrieben stand. Das Herz ihr ab, sie hab sie satt. Die Dame, schon ein wenig älter, Brigitte warf sich vor ihr nieder, War dem Geschäfte zugetan, Sie sei gewiß nicht mehr so dumm; Der Herr ein höherer Angestellter Den Abend aber schlief sie wieder Der königlichen Eisenbahn. Bei ihrem Individium. Die Dame sagt nun eines Tages, Und als die Herrschaft dann um Pfingsten Wie man zu Nacht gegessen hat: Ausflog mit dem Gesangverein, Nimm dies Paket, mein Kind, und trag es Lud sie ihn ohne die geringsten Zu der Baronin vor der Stadt. Bedenken abends zu sich ein. Auf diesem Wege traf Brigitte Sofort ließ er sich alles zeigen, Jedoch ein Individium, Den Schreibtisch und den Kassenschrank, Das hat an sie nur eine Bitte, Macht die Papiere sich zu eigen Wenn nicht, dann bringe er sich um. Und zollt ihr nicht mal mehr den Dank. Brigitte, völlig unerfahren, Brigitte, als sie nun gesehen, Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin. Was ihr Geliebter angericht', Drauf ging er fort mit ihren Waren Entwich auf unhörbaren Zehen Und ließ sie in der Lage drin. Dem Ehepaar aus dem Gesicht. Sie konnt es anfangs gar nicht fassen, Vorgestern hat man sie gefangen, Dann lief sie heulend und gestand, Es läßt sich nicht erzählen, wo; Daß sie sich hat verführen lassen, Dem Jüngling, der die Tat begangen, Was die Madam begreiflich fand. Dem ging es gestern ebenso. Frank Wedekind
Chorlied aus der Antigone Ungeheuer ist viel. Doch nichts ungeheurer, als der Mensch. Denn der, über die Nacht des Meers, wenn gegen den Winter wehet der Südwind, fähret er aus in geflügelten sausenden Häusern. Und der Himmlischen erhabene Erde, die unverderbliche, unermüdete, reibet er auf; mit dem strebenden Pfluge, von Jahr zu Jahr, treibt sein Verkehr er, mit dem Rossegeschlecht, und leichtträumender Vögel Welt bestrickt er, und jagt sie; und wilder Tiere Zug, und des Pontos salzbelebte Natur mit gesponnenen Netzen, der kundige Mann. Und fängt mit Künsten das Wild, das auf den Bergen übernachtet und schweift, und dem rauhmähnigen Rosse wirft er um den Nacken das Joch, und dem Berge bewandelnden unbezähmbaren Stier. Und die Red und den luftigen Gedanken und städtebeherrschenden Stolz hat erlernet er, und übelwohnender Hügel feuchte Lüfte, und die unglücklichen zu fliehen, die Pfeile. Allbewandert, undbewandert. Zu nichts kommt er. Der Toten künftigen Ort nur zu fliehen weiß er nicht, und die Flucht unbeholfener Seuchen zu überdenken. Von Weisem etwas, und das Geschickte der Kunst mehr, als er hoffen kann, besitzend, kommt einmal er auf Schlimmes, das andre zu Gutem. Die Gesetze kränkt er, der Erd und Naturgewaltger beschwornes Gewissen; hochstädtisch kommt, unstädtisch zu nichts er, wo das Schöne mit ihm ist und mit Freiheit. Nicht sei am Herde mit mir, noch gleichgesinnet, wer solches tut. Text von Sophokles / Übersetzung von Hölderlin
Sprich aus der Ferne Heimliche Welt, Die sich so gerne Zu mir gesellt! Wenn das Abendrot niedergesunken, Keine freudige Farbe mehr spricht, Und die Kränze still leuchtender Funken Die Nacht um die schattichte Stirne flicht: Wehet der Sterne Heiliger Sinn Leis durch die Ferne Bis zu mir hin. Wenn des Mondes still lindernde Tränen Lösen die Nächte verborgenes Weh; Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen Schiffen die Geister im himmlischen See. Glänzende Lieder Klingender Lauf Ringelt sich nieder, Wallet hinauf. Wenn der Mitternacht heiliges Grauen Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht Und die Büsche gar wundersam schauen, Alles sich finster, tiefsinnig bezeugt: Wandelt im Dunkeln Freundliches Spiel, Still Lichter funkeln, Schimmerndes Ziel, Alles ist freundlich wohlwollend verbunden, Bietet sich tröstend und trauernd die Hand, Sind durch die Nächte die Lichter gewunden, Alles ist ewig im Innern verwandt. Sprich aus der Ferne, Heimliche Welt, Die sich so gerne Zu mir gesellt. Clemens Brentano
Rede vom Gedicht Das Gedicht ist nicht der Ort, wo die Schönheit gepflegt wird. Hier ist die Rede vom Salz, das brennt in den Wunden. Hier ist die Rede vom Tod, von vergifteten Sprachen. Von Vaterländern, die eisernen Schuhen gleichen. Das Gedicht ist nicht der Ort, wo die Wahrheit verziert wird. Hier ist die Rede vom Blut, das fliesst aus den Wunden. Vom Elend, vom Elend, vom Elend des Traums. Von Verwüstung und Auswurf, von klapprigen Utopien. Das Gedicht ist nicht der Ort, wo der Schmerz verheilt wird. Hier ist die Rede von Zorn und Täuschung und Hunger (die Stadien der Sättigung werden hier nicht besungen). Hier ist die Rede von Fressen, Gefressenwerden von Mühsal und Zweifel, hier ist die Chronik der Leiden. Das Gedicht ist nicht der Ort, wo das Sterben begütigt wo der Hunger gestillt, wo die Hoffnung verklärt wird. Das Gedicht ist der Ort der zu Tode verwundeten Wahrheit. Flügel! Flügel! Der Engel stürzt, die Federn fliegen einzeln und blutig im Sturm der Geschichte! Das Gedicht ist nicht der Ort, wo der Engel geschont wird. Christoph Meckel
Der geheimnisvolle Nachen Gestern Nachts, als alles schlief, Eine Stunde, leicht auch zwei, Kaum der Wind mit ungewissen Oder war's ein Jahr? - da sanken Seufzern durch die Gassen lief, Plötzlich mir Sinn und Gedanken Gab mir Ruhe nicht das Kissen, In ein ew'ges Einerlei, Noch der Mohn, noch, was sonst tief Und ein Abgrund ohne Schranken Schlafen macht, - ein gut Gewissen. Tat sich auf: - da war's vorbei! Endlich schlug ich mir den Schlaf - Morgen kam: auf schwarzen Tiefen Aus dem Sinn und lief zum Strande. Steht ein Kahn und ruht und ruht ... Mondhell war's und mild, - ich traf Was geschah? so rief's, so riefen Mann und Kahn auf warmem Sande, Hundert bald: was gab es? Blut? - - Schläfrig beide, Hirt und Schaf: - Nichts geschah! Wir schliefen, schliefen Schläfrig stiess der Kahn vom Lande. Alle - - ach, so gut! so gut! Friedrich Nietzsche
Grodek (1914) Am Abend tönen die herbstlichen Wälder Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen Und blaue Seen, darüber die Sonne Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht Sterbende Krieger, die wilde Klage Ihrer zerbrochenen Münder. Doch stille sammelt im Weidengrund Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt Das vergossne Blut sich, mondne Kühle; Alle Straßen münden in schwarze Verwesung. Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain, Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter; Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes. O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre Die heiße Flamme des Geistes nähert heute ein gewaltiger Schmerz, Die ungebornen Enkel. Georg Trakl
Ich habe eine gute Tat getan Herz frohlocke! Eine gute Tat habe ich getan. Nun bin ich nicht mehr einsam. Ein Mensch lebt, Es lebt ein Mensch, Dem die Augen sich feuchten, Denkt er an mich. Herz, frohlocke: Es lebt ein Mensch! Nicht mehr, nein, nicht mehr bin ich einsam, Denn ich habe eine gute Tat getan, Frohlocke, Herz! Nun haben die seufzenden Tage ein Ende. Tausend gute Taten will ich tun! Ich fühle schon, Wie mich alles liebt, Weil ich alles liebe! Hinström ich voll Erkenntniswonne! Du mein letztes, süßestes, Klarstes, reinstes, schlichtestes Gefühl! Wohlwollen! Tausend gute Taten will ich tun. Schönste Befriedigung Wird mir zu teil: Dankbarkeit! Dankbarkeit der Welt. Stille Gegenstände, Werfen sich mir in die Arme. Stille Gegenstände, Die ich in einer erfüllten Stunde Wie brave Tiere streichelte. Mein Schreibtisch knarrt, Ich weiß, er will mich umarmen. Das Klavier versucht mein Lieblingsstück zu tönen, Geheimnisvoll und ungeschickt Klingen alle Saiten zusammen. Das Buch, das ich lese, Blättert von selbst sich auf. Ich habe eine gute Tat getan! Einst will ich durch die grüne Natur wandern, Da werden mich die Bäume Und Schlingpflanzen verfolgen, Die Kräuter und Blumen Holen mich ein, Tastende Wurzeln umfassen mich schon, Zärtliche Zweige binden mich fest, Blätter überrieseln mich, Sanft wie ein dünner, Schütterer Wassersturz. Viele Hände greifen nach mir, Viele grüne Hände, Ganz umnistet Von Liebe und Lieblichkeit Steh ich gefangen. Ich habe eine gute Tat getan, Voll Freude und Wohlwollens bin ich Und nicht mehr einsam, Nein, nicht mehr einsam. Frohlocke, mein Herz! Franz Werfel
Junger Hund Hochgemuter Stummelschwanz, __ hemmungsloser Freudentanz, (___()'`; quitschvergnügtes Hundsgejaul, /,`.':/` handkehrum zum Sterben faul. \\"--\\ Alter Schuh und müdes Blatt, Mutters warme Lagerstatt, Milch zu saugen noch und noch, oh, wie gut das alles roch! Gute Hand im krausen Fell, seltsam fremdes Hundgebell. Nacht wie schwarzer Regen fiel, Tag voll Balgerei und Spiel. Böse Hand und spitzes Glas, warmer Stein und zartes Gras, Bubenpfiff und Purzelbaum, erster dunkler Hundetraum. __ Wie er täppisch blickt und bellt, ()'`; staunt in eine bunte Welt. /\|` Gut und Böse? Sein und Sinn? /.'| Nein, er bellt: Ich bin! Ich bin! (/_)_|_ Peter Kilian
Die Klage (1944) Nun geht der Jammer Der Trotz wollt's wenden Die Not, die Schande Mit Lug und Truge Durch Haus und Kammer, Und muss doch enden Durch Markt und Lande; Nach Recht und Fuge. Zerbricht die Städte, Das freche Prahlen Die klugerbauten, Des Übermutes, Ruhm, Ränk und Räte, Geseufz und Qualen Darauf, wir trauten. Vergossnen Blutes, In Graus und Aschen, Geschrei und Zähren, Vom Strahl getroffen, Ihr müsst sie gelten; Das frevle Haschen, Da frommt kein Wehren, Das dreiste Hoffen. Da hilft kein Schelten. Nun müsst ihr tragen, Wo wollt ihr hausen? Was andre litten, Wo wollt ihr hinnen? Verlorne Klagen, Habt Hasser draussen Verworfne Bitten, Und Henker drinnen, Verfehltes Lieben, Da Burg und Bürger Verwirkte Treue, Sich nichts mehr bürget, Der nichts geblieben Der Mord den Würger Als Schmach und Reue Im Nacken würget. Vergebnen Grämens, Verstrickt im Knäuel Das keiner segnet, Der Schadenfrone, Voll stummen Schämens, Dir selbst zum Greuel, Dem Zorn begegnet. Der Welt zum Hohne, Wir wurden Meister Sieh all das Deine Und blieben Toren, Ins Elend wandern. Die Höllengeister Ja, Deutschland, weine, Ans Licht beschworen; Ja, lacht, ihr andern! Rudolf Alexander Schröder
Auf eine Lampe Noch unverrückt, o schöne Lampe, schmückest du, An leichten Ketten zierlich aufgehangen hier, Die Decke des nun fast vergessnen Lustgemachs. Auf deiner weissen Marmorschale, deren Rand Der Efeukranz von goldengrünem Erz umflicht, Schlingt fröhlich eine Kinderschar den Ringelreihn. Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form - Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein? Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst. Eduard Mörike
Letzte variation über das thema "die post" Eines Morgens wird er läuten als briefträger verkleidet Ich werde ihn durchschauen Ich werde sagen: warte bis der briefträger vorüber ist Reiner Kunze
Ein kleines Lied Ein kleines Lied! Wie geht's nur an, Dass man so lieb es haben kann, Was liegt darin? erzähle! Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang Und eine ganze Seele. Marie von Ebner-Eschenbach
Loreley Zu Bacharach am Rheine Drum laß mein Recht mich finden, Wohnt eine Zauberin, Mich sterben wie ein Christ, Die war so schön und feine Denn alles muß verschwinden, Und riß viel Herzen hin. Weil es nicht bei mir ist." Und machte viel zuschanden Drei Ritter läßt er holen: Der Männer rings umher, "Bringt sie ins Kloster hin! Aus ihren Liebesbanden Geh, Lore! - Gott befohlen War keine Rettung mehr. Sei dein berückter Sinn. Der Bischof ließ sie laden Du sollst ein Nönnchen werden, Vor geistliche Gewalt - Ein Nönnchen schwarz und weiß, Und mußte sie begnaden, Bereite dich auf Erden So schön war ihr' Gestalt. Zu deines Todes Reis'." Er sprach zu ihr gerühret: Zum Kloster sie nun ritten, "Du arme Lore Lay! Die Ritter alle drei Wer hat dich denn verführet Und traurig in der Mitten Zu böser Zauberei?" Die schöne Lore Lay. "Herr Bischof laßt mich sterben, "O Ritter, laßt mich gehen Ich bin des Lebens müd, Auf diesen Felsen groß, Weil jeder muß verderben, Ich will noch einmal sehen Der meine Augen sieht. Nach meines Lieben Schloß. Die Augen sind zwei Flammen, Ich will noch einmal sehen Mein Arm ein Zauberstab - Wohl in den tiefen Rhein Schickt mich in die Flammen! Und dann ins Kloster gehen O brechet mir den Stab!" Und Gottes Jungfrau sein!" "Ich kann dich nicht verdammen, Der Felsen ist so jähe, Bis du mir erst bekennt, So steil ist seine Wand, Warum in deinen Flammen Doch klimmt sie in die Höhe, Mein eigen Herz schon brennt! Bis daß sie oben stand. Den Stab kann ich nicht brechen, Es binden die drei Reiter Du schöne Lore Lay! Die Rosse unten an Ich müßte denn zerbrechen Und klettern immer weiter Mein eigen Herz entzwei." Zum Felsen auch hinan. "Herr Bischof, mit mir Armen Die Jungfrau sprach: "Da gehet Treibt nicht so bösen Spott, Ein Schifflein auf dem Rhein, Und bittet um Erbarmen, Der in dem Schifflein stehet, Für mich den lieben Gott. Der soll mein Liebster sein. Ich darf nicht länger leben, Mein Herz wird mir so munter, Ich liebe keinen mehr - Er muß mein Liebster sein!" Den Tod sollt Ihr mir geben, Da lehnt sie sich hinunter Drum kam ich zu Euch her. - Und stürzet in den Rhein. Mein Schatz hat mich betrogen, Die Ritter mußten sterben, Hat sich von mir gewandt, Sie konnten nicht hinab; Ist fort von mir gezogen, Sie mußten all verderben, Fort in ein fremdes Land. Ohn' Priester und ohn' Grab. Die Augen sanft und wilde, Wer hat dies Lied gesungen? Die Wangen rot und weiß, Ein Schiffer auf dem Rhein, Die Worte still und milde, Und immer hat's geklungen Das ist mein Zauberkreis. Von dem Dreiritterstein: Ich selbst muß drin verderben, Lore Lay! Das Herz tut mir so weh, Lore Lay! Vor Schmerzen möcht' ich sterben, Lore Lay! Wenn ich mein Bildnis seh'. Als wären es meiner drei.
Menons Klagen um Diotima Täglich geh ich heraus, und such ein Anderes immer, Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands; Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch ich, Und die Quellen, hinauf irret der Geist und hinab, Ruh erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder, Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht; Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm, Jammernd und schlummerlos treibt es der Stachel umher. Nicht die Wärme des Lichts und nicht die Kühle der Nacht hilft, Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst. Und wie ihm vergebens die Erd ihr fröhliches Heilkraut Reicht, und das gärende Blut keiner der Zephire stillt, So, ihr Lieben! auch mir, so will es scheinen, und niemand Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen Traum? Ja! es frommet auch nicht, ihr Todesgötter! wenn einmal Ihr ihn haltet, und fest habt den bezwungenen Mann, Wenn ihr Bösen hinab in die schaurige Nacht ihn genommen, Dann zu suchen, zu flehn, oder zu zürnen mit euch, Oder geduldig auch wohl im furchtsamen Banne zu wohnen, Und mit Lächeln von euch hören das nüchterne Lied. Soll es sein, so vergiß dein Heil, und schlummere klanglos! Aber doch quillt ein Laut hoffend im Busen dir auf, Immer kannst du noch nicht, o meine Seele! noch kannst dus Nicht gewohnen, und träumst mitten im eisernen Schlaf! Festzeit hab ich nicht, doch möcht ich die Locke bekränzen; Bin ich allein denn nicht? aber ein Freundliches muß Fernher nahe mir sein, und lächeln muß ich und staunen, Wie so selig doch auch mitten im Leide mir ist. Licht der Liebe! scheinest du denn auch Toten, du goldnes! Bilder aus hellerer Zeit, leuchtet ihr mir in die Nacht? Liebliche Gärten, seid, ihr abendrötlichen Berge, Seid willkommen und ihr, schweigende Pfade des Hains, Zeugen himmlischen Glücks, und ihr, hochschauende Sterne, Die mir damals so oft segnende Blicke gegönnt! Euch, ihr Liebenden auch, ihr schönen Kinder des Maitags, Stille Rosen und euch, Lilien, nenn ich noch oft! Wohl gehn Frühlinge fort, ein Jahr verdrängt das andre, Wechselnd und streitend, so tost droben vorüber die Zeit Über sterblichem Haupt, doch nicht vor seligen Augen, Und den Liebenden ist anderes Leben geschenkt. Denn sie alle, die Tag und Jahre der Sterne, sie waren, Diotima! um uns innig und ewig vereint; Aber wir, zufrieden gesellt, wie die liebenden Schwäne, Wenn sie ruhen am See, oder auf Wellen gewiegt, Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken sich spiegeln, Und ätherisches Blau unter den Schiffenden wallt, So auf Erden wandelten wir. Und drohte der Nord auch, Er, der Liebenden Feind, klagenbereitend, und fiel Von den Ästen das Laub, und flog im Winde der Regen, Ruhig lächelten wir, fühlten den eigenen Gott Unter trautem Gespräch, in Einem Seelengesange, Ganz in Frieden mit uns und kindlich allein. Aber das Haus ist öde mir nun, und sie haben mein Auge Mir genommen, auch mich hab ich verloren mit ihr. Darum irr ich umher, und wohl, wie die Schatten, so muß ich Leben, und sinnlos dünkt lange das Übrige mir. Feiern möcht ich; aber wofür? und singen mit Andern, Aber so einsam fehlt jegliches Göttliche mir. Dies ists, dies mein Gebrechen, ich weiß, es lähmet ein Fluch mir Darum die Sehnen, und wirft, wo ich beginne, mich hin, Daß ich fühllos sitze den Tag und stumm wie die Kinder, Nur vom Auge mir kalt öfters die Träne noch schleicht, Und die Pflanze des Felds und der Vögel Singen mich trüb macht, Weil mit Freuden auch sie Boten des Himmlischen sind, Aber mir in schaudernder Brust die beseelende Sonne, Kühl und fruchtlos mir dämmert, wie Strahlen der Nacht, Ach! und nichtig und leer, wie Gefängniswände, der Himmel Eine beugende Last über dem Haupte mir hängt! Sonst mir anders bekannt! o Jugend, und bringen Gebete Dich nicht wieder, dich nie? führet kein Pfad mich zurück? Soll es werden auch mir, wie den Götterlosen, die vormals Glänzenden Auges doch auch saßen an seligem Tisch, Aber übersättigt bald, die schwärmenden Gäste, Nun verstummet, und nun, unter der Lüfte Gesang, Unter blühender Erd entschlafen sind, bis dereinst sie Eines Wunders Gewalt, sie, die Versunkenen, zwingt, Wiederzukehren und neu auf grünendem Boden zu wandeln. - Heiliger Othem durchströmt göttlich die lichte Gestalt, Wenn das Fest sich beseelt, und Fluten der Liebe sich regen, Und vom Himmel getränkt, rauscht der lebendige Strom, Wenn es drunten ertönt, und ihre Schätze die Nacht zollt, Und aus Bächen herauf glänzt das begrabene Gold. - Aber o du, die schon am Scheideweg mir damals, Da ich versank vor dir, tröstend ein Schöneres wies, Du, die Großes zu sehen und froher die Götter zu singen, Schweigend, wie sie, mich einst stillebegeisternd gelehrt, Götterkind! erscheinst du mir, und grüßest, wie einst, mich, Redest wieder, wie einst, höhere Dinge mir zu? Siehe! weinen vor dir, und klagen muß ich, wenn schon noch Denkend edlerer Zeit, dessen die Seele sich schämt. Denn so lange, so lang auf matten Pfaden der Erde Hab ich, deiner gewohnt, dich in der Irre gesucht, Freudiger Schutzgeist! aber umsonst, und Jahre zerrannen, Seit wir ahnend um uns glänzen die Abende sahn. Dich nur, dich erhält dein Licht, o Heldin! im Lichte, Und dein Dulden erhält liebend, o Gütige, dich; Und nicht einmal bist du allein; Gespielen genug sind, Wo du blühest und ruhst unter den Rosen des Jahrs; Und der Vater, er selbst, durch sanftumatmende Musen Sendet die zärtlichen Wiegengesänge dir zu. Ja! noch ist sie ganz! noch schwebt vom Haupte zur Sohle, Stillherwandelnd, wie sonst, mir die Athenerin vor. Und wie, freundlicher Geist! von heitersinnender Stirne Segnend und sicher dein Strahl unter die Sterblichen fällt, So bezeugest du mirs, und sagst mirs, daß ich es andern Wiedersage, denn auch andere glaubten es nicht, Daß unsterblicher doch, denn Sorg und Zürnen, die Freude Und ein goldener Tag täglich am Ende noch ist. So will ich, ihr Himmlischen! denn auch danken, und endlich Atmet aus leichter Brust wieder des Sängers Gebet. Und wie, wenn ich mit ihr, auf sonniger Höhe mit ihr stand, Spricht belebend ein Gott innen vom Tempel mich an. Leben will ich denn auch! schon grünts! wie von heiliger Leier Ruft es von silbernen Bergen Apollons voran! Komm! es war wie ein Traum! Die blutenden Fittiche sind ja Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all. Großes zu finden, ist viel, ist viel noch übrig, und wer so Liebte, gehet, er muß, gehet zu Göttern die Bahn. Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten, Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr Fromme Bitten! und ihr Begeisterungen und all ihr Guten Genien, die gerne bei Liebenden sind; Bleibt so lange mit uns, bis wir auf gemeinsamem Boden Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit, Dort, wo die Adler sind, die Gestirne, die Boten des Vaters, Dort, wo die Musen, woher Helden und Liebende sind, Dort uns, oder auch hier, auf tauender Insel begegnen, Wo die Unsrigen erst, blühend in Gärten gesellt, Wo die Gesänge wahr, und länger die Frühlinge schön sind, Und von neuem ein Jahr unserer Seele beginnt. Friedrich Hölderlin
Möwenlied Die Möwen sehen alle aus als ob sie Emma hiessen. Sie tragen einen weissen Flaus und sind mit Schrot zu schiessen. Ich schiesse keine Möwe tot, ich lass sie lieber leben - und füttre sie mit Roggenbrot und rötlichen Zibeben. O Mensch, du wirst nie nebenbei der Möwe Flug erreichen. Wofern du Emma heissest, sei zufrieden, ihr zu gleichen. Christian Morgenstern
das Sagbare sagen das Erfahrbare erfahren das Entscheidbare entscheiden das Erreichbare erreichen das Wiederholbare wiederholen das Beendbare beenden das nicht Sagbare das nicht Erfahrbare das nicht Entscheidbare das nicht Erreichbare das nicht Wiederholbare das nicht Beendbare das nicht Beendbare nicht beenden Helmut Heißenbüttel
Still doch! Es war ja der Wind nur, Welcher dich fürchten gemacht. Sieh, alle Dinge sind nur Wandelnde Schatten der Nacht. Aber das Auge erhellt sie Mehr als die Sonne vermag, Schenkt ihnen Leben und stellt sie In den taumelnden Tag. Alexander von Bernus
An den Tod Halb aus dem Schlummer erwacht, Schaudernd dacht ichs, und fuhr den ich traumlos getrunken, Auf, und schloss mich ans Leben, Ach, wie war ich versunken Drängte in glühndem Erheben In die unendliche Nacht! Kühn mich an Gott und Natur. Tiefes Verdämmern des Seins, Siehe, da hab ich gelebt: Denkend nichts, noch empfindend! Was sonst, zu Tropfen zerflossen, Nichtig mir selber entschwindend, Langsam und karg sich ergossen, Schatte mit Schatten zu eins! Hat mich auf einmal durchbebt Da beschlich mich so bang, Oft noch berühre du mich, Ob auch, den Bruder verdrängend, Tod, wenn ich in mir zerrinne, Geist mir und Sinne verengend, Bis ich mich wieder gewinne Listig der Tod mich umschlang. Durch den Gedanken an dich! Friedrich Hebbel
Mein Herz, mein Herz ist traurig, Doch lustig leuchtet der Mai; Ich stehe, gelehnt an der Linde, Hoch auf der alten Bastei. Da drunten fließt der blaue Stadtgraben in stiller Ruh; Ein Knabe fährt im Kahne, Und angelt und pfeift dazu. Jenseits erheben sich freundlich, In winziger, bunter Gestalt, Lusthäuser, und Gärten, und Menschen, Und Ochsen, und Wiesen, und Wald. Die Mägde bleichen Wäsche, Und springen im Gras herum; Das Mühlrad stäubt Diamanten, Ich höre sein fernes Gesumm. Am alten grauen Turme Ein Schilderhäuschen steht; Ein rotgeröckter Bursche Dort auf und nieder geht. Er spielt mit seiner Flinte, Die funkelt im Sonnenrot, Er präsentiert und schultert - Ich wollt, er schösse mich tot. Heinrich Heine
Untreu Dein Lächeln weint in meiner Brust Die glutverbissnen Lippen eisen Im Atem wittert Laubwelk! Dein Blick versargt Und Hastet polternd Worte drauf. Vergessen Bröckeln nach die Hände! Frei Buhlt dein Kleidsaum Schlenkrig Drüber rüber! August Stramm
Vorfrühling Pralle Wolken jagen sich in Pfützen Aus frischen Leibesbrüchen schreien Halme Ströme Die Schatten stehn erschöpft. Auf kreischt die Luft Im Kreisen, weht und heult und wälzt sich Und Risse schlitzen jählings sich und narben Am grauen Leib. Das Schweigen tappet schwer herab Und lastet! Da rollt das Licht sich auf Jäh gelb und springt Und Flecken spritzen - Verbleicht Und Pralle Wolken tummeln sich in Pfützen. August Stramm
Wacht auf! Wacht auf, - denn eure Träume sind schlecht! Bleibt wach, - weil das Entsetzliche näher kommt. Auch zu dir kommt es, der weitentfernt wohnt von den Stätten, wo Blut vergossen wird, auch zu dir und deinem Nachmittagsschlaf, worin du ungern gestört wirst. Wenn es heute nicht kommt, kommt es morgen, aber sei gewiß. "Oh, angenehmer Schlaf auf dem Kissen mit roten Blumen, einem Weihnachtsgeschenk von Anita, woran sie drei Wochen gestickt hat, oh, angenehmer Schlaf, wenn der Braten fett war und das Gemüse zart. Man denkt im Einschlummern an die Wochenschau von gestern abend: Osterlämmer, erwachende Natur, Eröffnung der Spielbank in Baden-Baden, Cambridge siegte gegen Oxford mit zweieinhalb Längen, - das genügt, das Gehirn zu beschäftigen. Oh, diese weichen Kissen, Daunen aus erster Wahl! Auf ihm vergißt man das Ärgerliche der Welt, jene Nachricht zum Beispiel: Die wegen Abtreibung Angeklagte sagte zu ihrer Verteidigung: Die Frau, Mutter von sieben Kindern, kam zu mir mit einem Säugling, für den sie keine Windeln hatte und der in Zeitungspapier gewickelt war. Nun, das sind Angelegenheiten des Gerichtes, nicht unsre. Man kann dagegen nichts tun, wenn einer etwas härter liegt als der andre. Und was kommen mag, unsere Enkel mögen es ausfechten." Ach, du schläfst schon? Wache gut auf, mein Freund! Schon läuft der Strom in den Umzäunungen, und die Posten sind aufgestellt. Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind! Seid mißtrauisch gegen ihre Macht, die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen. Wacht darüber, daß eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird! Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet! Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt! Günter Eich
Die schlesischen Weber Im düstern Auge keine Träne, Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne: Deutschland, wie weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch - Wir weben, wir weben! Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten In Winterskälte und Hungersnöten; Wir haben vergebens gehofft und geharrt, Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt - Wir weben, wir weben! Ein Fluch dem König, dem König der Reichen, Den unser Elend nicht konnte erweichen, Der den letzten Groschen von uns erpreßt Und uns wie Hunde erschießen läßt - Wir weben, wir weben! Ein Fluch dem falschen Vaterlande, Wo nur gedeihen Schmach und Schande, Wo jede Blume früh geknickt, Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt - Wir weben, wir weben! Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht, Wir weben emsig Tag und Nacht - Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch, Wir weben, wir weben! Heinrich Heine
Der Werwolf Ein Werwolf eines Nachts entwich Dem Werwolf schmeichelten die Fälle, von Weib und Kind und sich begab er rollte seine Augenbälle. an eines Dorfschullehrers Grab Indessen, bat er, füge doch und bat ihn: Bitte, beuge mich! zur Einzahl auch die Mehrzahl noch! Der Dorfschulmeister stieg hinauf Der Dorfschulmeister aber musste auf seines Blechschilds Messingknauf gestehn, dass er von ihr nichts wusste, und sprach zum Wolf, der seine Pfoten Zwar Wölfe gäb's in grosser Schar, geduldig kreuzte vor dem Toten: doch "Wer" gäb's nur im Sigular. "Der Werwolf" - sprach der gute Mann, Der Wolf erhob sich tränenblind - "des Weswolfs, Genitiv sodann, er hatte ja doch Weib und Kind!! dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt, Doch da er kein Gelehrter eben, den Wenwolf, - damit hat's ein End." so schied er dankend und ergeben. Christian Morgenstern
Wo ich wohne Als ich das Fenster öffnete, schwammen Fische ins Zimmer, Heringe. Es schien eben ein Schwarm vorüberzuziehen. Auch zwischen den Birnbäumen spielten sie. Die meisten aber hielten sich noch im Wald, über den Schonungen und den Kiesgruben. Sie sind lästig. Lästiger aber sind noch die Matrosen (auch höhere Ränge, Steuerleute, Kapitäne), die vielfach ans offene Fenster kommen und um Feuer bitten für ihren schlechten Tabak. Ich will ausziehen. Günter Eich
Zu Abend mein Herz Am Abend hört man den Schrei der Fledermäuse, Zwei Rappen springen auf der Wiese, Der rote Ahorn rauscht. Dem Wanderer erscheint die kleine Schenke am Weg. Herrlich schmecken junger Wein und Nüsse, Herrlich: betrunken zu taumeln in dämmernden Wald. Durch schwarzes Geäst tönen schmerzliche Glocken, Auf das Gesicht tropft Tau. Georg Trakl
Zusammenstellung:
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