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Abend Weiße Schwäne senken ihre schmalen, Schlanken Hälse in den schilfdurchragten, Stillen, grünen Weiher, plätschern leise, Ziehen weiter ihre stillen Kreise... An dem Arm des müden, hochbetagten Schloßherrn, der den schlafgemiednen Qualen Seiner kalten Nacht entgegenbangt, Steht in leichten, weißen Spitzen Die Gemahlin. Spielend langt Sie nach den gewundnen Rebenranken... Ihre flügelstarken Flucht-Gedanken Zittern vor den roten Lebensblitzen. Richard Schaukal
Betrunken Ich sitze zwischen Mine und Stine, Den hellblonden hübschen Friesenmädchen, Und trinke Grog. Die Mutter ging schlafen. Geht Mine hinaus, Um heißes Wasser zu holen, Küß ich Stine. Geht Stine hinaus, Um ein Brötchen mit aufgelegten kalten Eiern Und Anchovis zu bringen, Küß ich Mine. Nun sitzen wieder beide neben mir. Meinen rechten Arm halt ich um Stine, Meinen linken um Mine. Wir sind lustig und lachen. Stine häkelt, Mine blättert In einem verjährten Modejournal. Und ich erzähl ihnen Geschichten. Draußen tobt, höchst ungezogen, Unser guter Freund, Der Nordwest. Die Wellen spritzen, Es ist Hochflut, Zuweilen über den nahen Deich Und sprengen Tropfen An unsre Fenster. Ich bin verbannt und ein Gefangener Auf dieser vermaledeiten, Einsamen kleinen Insel. Zwei Panzerfregatten Und sechs Kreuzer spinnen mich ein. Auf den Wällen Wachen die Posten, Und einer ruft dem andern zu, Durch die hohle Hand, Von Viertel- zu Viertelstunde, In singendem Tone: Kamerad, lebst du noch? Wie wohl mir wird. Alles Leid sinkt, sinkt. Mine und Stine lehnen sich An meine Schultern. Ich ziehe sie dichter und dichter An mich heran. Denn im Lande der Hyperboreer, Wo wir wohnen, Ist es kalt. Ich trank das sechste Glas. Ich stehe draußen An der Mauer des Hauses, Barhaupt, Und schaue in die Sterne: Der winzige, matt blinkende, Grad über mir, Ist der Stern der Gemütlichkeit, Zugleich der Stern Der äußersten geistigen Genügsamkeit. Der nah daneben blitzt, Der große, feuerfunkelnde, Ist der Stern des Zorns. Welten-Rätsel. Die Welt - das Rätsel der Rätsel. Wie mir der Wind die heiße Stirn kühlt. Angenehm, höchst angenehm. Ich bin wieder im Zimmer. Ich trinke mein achtes Glas Nordnordgrog. Kinder, erklärt mir das Rätsel der Welt. Aber Mine und Stine lachen. Das Rätsel, bitt ich, Das Rätsel der Welt. Ich trinke das zehnte Glas. Tanzt, Kinder, tanzt, Ich bin der Sultan, Ihr seid meine Georgierinnen, Ich liebe euch, Geht mit mir zu Bett. Ich kann nicht tanzen mehr? Wie sagte doch der Sultan Im Macbeth? Ich meine Shakespeare: Trunkenheit reizt zur Liebe, Aber die Beine, Oder was sagte er, Möchten gern, aber sie können nicht. Mädchens, unterstützt mich, Hebt mich, Ich will eine Rede reden: Die Welt ist das Tal der Küsse, Die Welt ist der Berg des Kummers, Die Welt ist das Wasser der Flüssigkeit, Die Welt ist die Luft des Unsinns. Was sagte ich? Ich setze mich. Noch ein Glas Grog. Vorwärts! Die Langeweile, Verzeiht, Mächens, An eurer Seite, Schändlich, das zu sagen, Die Welt ist das Tal, das, Das Tal der Langenweile. Jetzt ist Macbeth, Ich lieb euch, Mächens, Ich bin der Sultan, Gebt mir Pantherfelle. Die Sklaven, die Sklaven her! Zum Donner, wo bleiben die Schufte! Auf mein Lager tragt mich. Ich will schlafen. So, Macbeth, Tanzen, tan-zen. Gu' Nacht, Ich wer' mü-de, Gu' Nach... Wie-e? Detlev Liliencron
Das Andere Du gehst noch einen Schritt, du bist dir noch ganz gleich, da geht schon jemand mit aus einem anderen Reich. Du stehst noch voll im Licht Und sagst noch ich und du, da lauscht schon ein Gesicht Und lächelt still dazu. Vielleicht, es fällt der Schnee auf dein erträumtes Haus, es tut auch gar nicht weh, da trägt man dich hinaus. Wer sagt, wie unterdes dein Herz dir so entkam? Ob wohl ein Sperling es im Flug so mit sich nahm? Martin Kessel
Noch einmal dem Nichts entstiegen, Noch einmal aus Flammen neu, Seh ich dich im Morgen liegen, Schöne Welt, dem Treuen treu. Komm, begegne meinem Hoffen, Gib an Lust und Schmerz mein Teil, Gläubig steht mein Busen offen Deinem Blitz und Todespfeil. Ricarda Huch
Der Frühlingskasper Weil nun wieder Frühling ist, Leute, streu ich butterblumengelber Kasper lachend lauter lilablaue Asternblüten hei ins helle Feld! Lilablaue Astern, liebe Leute, Astern blühn im deutschen Vaterland bekanntlich bloß im Herbst. Aber Ich, ich butterblumengelber Kasper, streue, weil nun wieder heller Frühling ist, tanzend tausend dunkelblaue Asternblüten hei in alle Welt! Richard Dehmel
Dunkles zu sagen Wie Orpheus spiel ich auf den Saiten des Lebens den Tod und in die Schönheit der Erde und deiner Augen, die den Himmel verwalten, weiß ich nur Dunkles zu sagen. Vergiß nicht, daß auch du, plötzlich, an jenem Morgen, als dein Lager noch naß war von Tau und die Nelke an deinem Herzen schlief, den dunklen Fluß sahst, der an dir vorbeizog. Die Saite des Schweigens gespannt auf die Welle von Blut, griff ich dein tönendes Herz. Verwandelt ward deine Locke ins Schattenhaar der Nacht, der Finsternis schwarze Flocken beschneiten dein Antlitz. Und ich gehör dir nicht zu. Beide klagen wir nun. Aber wie Orpheus weiß ich auf der Seite des Todes das Leben und mir blaut dein für immer geschlossenes Aug. Ingeborg Bachmann
Faunsflötenlied Ich glaube an den großen Pan, Den heiter heiligen Werdegeist; Sein Herzschlag ist der Weltentakt, In dem die Sonnenfülle kreist. Es wird und stirbt und stirbt und wird; Kein Ende und kein Anbeginn. Sing, Flöte, dein Gebet der Lust! Das ist des Lebens heiliger Sinn. Otto Julius Bierbaum
Feldeinsamkeit Ich ruhe still im hohen grünen Gras Und sende lange meinen Blick nach oben, Von Grillen rings umschwirrt ohn Unterlaß, Von Himmelsbläue wundersam umwoben. Und schöne weiße Wolken ziehn dahin Durchs tiefe Blau wie schöne stille Träume; - Mir ist, als ob ich längst gestorben bin Und ziehe selig mit durch ewge Räume. Hermann Allmers
Arkadien 1 Auch ich bin in Arkadien geboren; auch mir hat ja ein heißes volles Herz die Mutter an der Wiege zugeschworen und Maß und Zahl in Freude und in Schmerz. Sie gab mir immer freundlich himmelwärts zu schaun, wenn selbst die Hoffnung sich verloren; und stählte mich mit Frohsinn und mit Scherz; auch ich bin in Arkadien geboren! Komm, reiche mir die brüderliche Hand! Zu Brüdern hat uns die Natur erkoren, und uns gebar ein mütterliches Land. Ich habe dir längst Liebe zugeschworen. gern folgsam meinen bessern Genius. Gib mir die Hand, und einen Bruderkuß! 4 Auch ich bin in Arkadien geboren, auch mir hat mancher gute Genius am Mutterbusen Liebe zugeschworen und manchem freundlichen Genuß, auch ich empfand in Ahndungen verloren das leise Wehn von manchem Geisteskuß, und fühlte oft im heiligen Erguß mich zu der Sonne reinem Dienst erkoren. Verzeih, wenn mich mein eignes Herz nicht trügt, und mich auf Flügeln stolzer Träume wiegt, daß ich so kühn in eure Reihen trete; und fassest du mich auch so rein und warm, wie ich dich liebe, mit dir Arm in Arm, um Ewigkeit für unser Bündnis bete - Novalis [an A. W. Schlegel]
Auf Flügeln des Gesanges, Die Veilchen kichern und kosen, Herzliebchen, trag ich dich fort, Und schaun nach den Sternen empor; Fort nach den Fluren des Ganges, Heimlich erzählen die Rosen Dort weiß ich den schönsten Ort. Sich duftende Märchen ins Ohr. Dort liegt ein rotblühender Garten Es hüpfen herbei und lauschen Im stillen Mondenschein; Die frommen, klugen Gazelln; Die Lotosblumen erwarten Und in der Ferne rauschen Ihr trautes Schwesterlein. Des heiligen Stromes Welln. Dort wollen wir niedersinken Unter dem Palmenbaum, Und Liebe und Ruhe trinken, Und träumen seligen Traum. Heinrich Heine
Fülle Genug ist nicht genug! Gepriesen werde Der Herbst! Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte! Tief beugt sich mancher allzureich beschwerte, Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zu Erde. Genug ist nicht genug! Es lacht im Laube! Die saftge Pfirsche winkt dem durstgen Munde! Die trunknen Wespen summen in die Runde: "Genug ist nicht genug!" um eine Traube. Genug ist nicht genug! Mit vollen Zügen Schlürft Dichtergeist am Borne des Genusses, Das Herz, auch es bedarf des Überflusses, Genug kann nie und nimmermehr genügen! Conrad Ferdinand Meyer
Wenn Gift und Galle die Welt dir beut Und du möchtest das Herz dir gesund bewahren: Mach anderen Freud! Du wirst erfahren, Dass Freude freut. F. T. Vischer
Von Glückes Zufall Der ist ein Narr, der hochauf steigt, Daß seine Scham der Welt er zeigt, Und sucht stets einen höhern Grad Und denkt nicht an des Glückes Rad. Was hochauf steigt in dieser Welt, Gar plötzlich oft zu Boden fällt. Kein Mensch so hoch hier kommen mag, Der sich verheißt den künftgen Tag, Und daß er Glück dann haben will, Denn Klotho hält ihr Rad nicht still, Oder den sein Reichtum und Gewalt Vorm Tod einen Augenblick erhalt'. Wer Macht hat, der hat Angst und Not, Viel sind um Macht geschlagen tot. Die Herrschaft hat nicht langen Halt, Die man muss schirmen mit Gewalt. Wo keine Lieb und Gunst der Gemein', Da ist viel Sorge - und Freude klein. Es muss viel fürchten, wer da will, Daß ihn auch sollen fürchten viel. Nun ist die Furcht ein schlechter Knecht, Sie kann nicht lange hüten recht. Wer innehat Gewalt, der lerne Liebhaben Gott und ehr ihn gerne. Wer Gerechtigkeit hält in der Hand, Des Macht kann haben gut Bestand; Des Herrschaft war wohl angelegt, Und dessen Tod man Trauer trägt. Weh dem Regenten, nach des Tod Man sprechen muss: "Gelobt sei Gott!" Wer einen Stein wälzt auf die Höh, Auf den fällt er und tut ihm weh, Und wer vertrauet auf sein Glück, Fällt oft in einem Augenblick. Sebastian Brant (Das Narrenschiff) [Übersetzung des Textes von 1494]
Gretchens Stube Gretchen (am Spinnrad, allein): Meine Ruh ist hin, Sein hoher Gang, Mein Herz ist schwer; Sein edle Gestalt, Ich finde sie nimmer Seines Mundes Lächeln, und nimmermehr. Seiner Augen Gewalt, Wo ich ihn nicht hab, Und seiner Rede Ist mir das Grab, Zauberfluß, Die ganze Welt Sein Händedruck, Ist mir vergällt. Und ach! sein Kuß! Mein armer Kopf Meine Ruh ist hin, Ist mir verrückt, Mein Herz ist schwer, Mein armer Sinn Ich finde sie nimmer Ist mir zerstückt. und nimmermehr. Meine Ruh ist hin, Mein Busen drängt Mein Herz ist schwer, Sich nach ihm hin, Ich finde sie nimmer Ach dürft ich fassen und nimmermehr. Und halten ihn, Nach ihm nur schau ich Und küssen ihn, Zum Fenster hinaus, So wie ich wollt, Nach ihm nur geh ich An seinen Küssen Aus dem Haus. Vergehen sollt! Goethe; Faust
Die stille Freude wollt ihr stören? Lasst mich bei meinem Becher Wein; Mit andern kann man sich belehren, Begeistert wird man nur allein. Goethe
Ist denn dein Hertze gar erfroren? Bist du aus Schnee und Eiß geboren? Hörst du mein Seuffzen nicht Und was mein Unmuth spricht? Soll ich dich Göttin nennen? So nimm des Himmels Wehmuth an, Der leichtlich sich erbarmen kan Und uns nicht ewig läst in Hoffnungs-Flammen brennen. Des Blutes Regung zu vermeiden Und gantz von Fleisch und Blut zu scheiden, Ist nirgends ein Gebot Es heissets auch nicht Gott; Sich selber zu verlassen Ist eine Flucht, so sträfflich ist, Und wer ihm solche Bahn erkiest, Den muß die Menschlichkeit als einen Unmensch hassen. Du kanst ja deiner nicht geniessen, Kein Mund weiß selber sich zu küssen. Der Schnee auf deiner Brust Bringt dir geringe Lust. Die fleischichten Granaten Seynd nicht allein vor dich erdacht Kein Mensch ist vor sich selbst gemacht; Es weiß der klügste Geist ihm hier nicht recht zu rathen. Die Rose suchet ihr Verderben, Die auff dem Stocke wünscht zu sterben Und nur ihr gantz allein Meynt angetraut zu seyn. Wilst du dich selbst begraben? Wer sich in sich umsonst verzehrt, Ist warlich seiner selbst nicht werth Und muß der Thorheit Schild an seiner Grabstatt haben. Bezwinge weißlich dein Gemüthe Und folge zeitlich dem Geblüte, Darein im Paradieß Gott selber Funcken bließ; Wer kan ihm widerstreben? Schau ich dein helles Antlitz an, So fühl ich, was der Himmel kan Und wünsch auf deiner Brust verparadiest zu leben. Christian Hofmann von Hoffmannswaldau
Das Karussell Jardin du Luxembourg Mit einem Dach und seinem Schatten dreht sich eine kleine Weile der Bestand von bunten Pferden, alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht. Zwar manche sind an Wagen angespannt, doch alle haben Mut in ihren Mienen; ein böser roter Löwe geht mit ihnen und dann und wann ein weißer Elefant. Sogar ein Hirsch ist da ganz wie im Wald, nur daß er einen Sattel trägt und drüber ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt. Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge und hält sich mit der kleinen heißen Hand, dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. Und dann und wann ein weißer Elefant. Und auf den Pferden kommen sie vorüber, auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge schauen sie auf, irgendwohin, herüber - Und dann und wann ein weißer Elefant. Und das geht hin und eilt sich, daß es endet, und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel. Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet, ein kleines kaum begonnenes Profil. Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet, ein seliges, das blendet und verschwendet, an dieses atemlose blinde Spiel. Rainer Maria Rilke
Mignon Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn. Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach, Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach, Und Marmorbilder stehn und sehn mich an: Was hat man dir, du armes Kind, getan? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn. Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg? Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg, In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut; Es stürzt der Fels und über ihn die Flut. Kennst du ihn wohl? Dahin! Dahin Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn! Goethe
Nicola Pesce Ein halbes Jährchen hab ich nun geschwommen Und noch behagt mir dieses kühle Gleiten, Der Arme lässig Auseinanderbreiten - Die Fastenspeise mag der Seele frommen! Halb schlummernd lieg ich stundenlang, umglommen Von Wetterleuchten, bis auf allen Seiten Sich Wogen türmen. Männlich gilts zu streiten. Ich freue mich. Stets bin ich durchgekommen. Was machte mich zu Fisch? Ein Mißverständnis Mit meinem Weib. Vermehrte Menschenkenntnis, Mein Wanderdrang und meine Farbenlust. Die Furcht verlernt ich über Todestiefen, Fast bis zum Frieren kühlt ich mir die Brust - Ich bleib ein Fisch und meine Haare triefen! Conrad Ferdinand Meyer
Fahrt über den Plöner See Es schieben sich wie Traumkulissen Bauminseln stets erneut vorbei, Als ob ein blaues Fest uns rufe, Die Landschaft eine Bühne sei. Sich wandelnd mit des Bootes Gleiten Erfrischt den Blick Laub, Schilf und See: Hier könnte Händels Oper Spielen, Vielleicht Acis und Galathee. Die Finger schleifen durch die Wasser, Ein Gurgeln quillt um Bordes Wand, Die Ufer ziehn wie Melodien, Und meine sucht nach deiner Hand. Wenn alle nun das Schifflein räumen, Wir endigen noch nicht das Spiel. Fährmann, die runde Fahrt noch einmal! Sie selbst, ihr Ende nicht, das Ziel. Es schieben sich wie Traumkulissen Bauminseln stets erneut vorbei, Als ob ein blaues Fest uns rufe, Die Landschaft ein Bühne sei. Sich wandelnd mit des Bootes Gleiten Erfrischt den Blick Laub, Schilf und See: Wir dürfen Händels Oper hören, Man gibt Acis und Galathee. Wir sehen, was wir hören, fühlen, Die Ufer sind die Melodien; Bei ihrem Nahen, ihrem Schwinden, Wie gern mag uns das Schifflein ziehn! Dort schwimmt bebuscht die Prinzeninsel, Hier steigt die Kirche von Bosau - Wir fahren durch den Schreck der Zeiten, Beisammen noch, geliebte Frau. Heisst solcher Übermut vermessen? Rächt sich am Traum der harte Tag? Muss seine Eifersucht uns treffen, Wie den Acis des Riesen Schlag? Die Götter sind nicht liebeleer - Was ihr den beiden tatet, tut! Die Nymphe flüchtete ins Meer, Acis zerrann zu Bachesflut. Wilhelm Lehmann
Pst! Es gibt ja leider Sachen und Geschichten, Die reizend und pikant, Nur werden sie von Tanten und von Nichten Niemals genannt. Verehrter Freund, so sei denn nicht vermessen, Sei zart und schweig auch du. Bedenk: Man liebt den Käse wohl, indessen Man deckt ihn zu. Wilhelm Busch
Mal relaxen können wie eine Maus in der Falle In den meisten Fällen aber sie sind alle enden wir als senile beschäftigt mit Dingen, gutmütige Narren, hin die ein Spinner wie ich und her geschoben von für Unfug hält: Ein Haus einer rosigen Kranken- abstottern, von da nach schwester, die uns an- dort kommen, Geld verdienen blafft, weil die und darüber reden. Bettpfanne wieder rand- Das einzige wovon man voll ist. etwas hat, ist wahrscheinlich Es sei denn, es nimmt rücksichtslos zu schlafen, ein gewaltsames Ende - aber auch das geht nicht ein Finish, in dem lange genug gut - überall noch einmal alles an uns werfen sie Preßlufthämmer an, vorüberzuckt: Mahagoni- die Kirchenglocken juckt der farbene Sonnenstrahlen, Schweiß der Beter, die Bienen Girls am Strand, Platt- stechen, die Fenster gleißen, füße, Haarschnitte, Boote kentern und verfüttern rasselnde Wecker, ein ihren Inhalt an die Haie, nur rasender Puls. Kanonen schlafen ungestört Egal wie, es kommt nie in Museen. Ich gehe weg von richtig zusammen. allem, habe nichts gelernt, Ich gehe in Bars, durch weiß jeden Tag weniger, meine leere schmale Seiten- Hände werden magnetisch ange- straßen, ins Wettbüro, zogen von meiner Kehle, frage mich, was ich meine Füße tragen mich voran eigentlich will, und wie bewußtlose tierische denke wehmütig an Extremitäten, in Gegenden Urwälder voll Kletter- hinein, wo es schimmelt und pflanzen und ähnliche gärt, in eine behagliche Dinge, z.B. an Mäuse, Hölle, voll von Grünzeug, die sich mit den Vorder- Ranken und Lianen, und dafür pfoten die Nase putzen. danke ich ihnen auf den Knien. Ich sehe mir die Leute an, Charles Bukowski
Zwischen Raubvögeln. Wer hier hinabwill, wie schnell schluckt den die Tiefe! - Aber du, Zarathustra, liebst den Abgrund noch, tust der Tanne es gleich? - Die schlägt Wurzeln, wo der Fels selbst schaudernd zur Tiefe blickt -, die zögert an Abgründen, wo Alles rings hinunter will: zwischen der Ungeduld wilden Gerölls, stürzenden Bachs geduldig duldend, hart, schweigsam, einsam ... Einsam! Wer wagte es auch, hier Gast zu sein, dir Gast zu sein?... Ein Raubvogel vielleicht: der hängt sich wohl dem standhaften Dulder schadenfroh ins Haar, mit irrem Gelächter, einem Raubvogel-Gelächter ... Wozu so standhaft? - höhnt er grausam: man muss Flügel haben, wenn man den Abgrund liebt ... man muss nicht hängen bleiben, wie du, Gehängter! - Oh Zarathustra, grausamster Nimrod! jüngst Jäger noch Gottes, das Fangnetz aller Tugend, der Pfeil des Bösen! Jetzt - von dir selber erjagt, deine eigene Beute, in dich selber eingebohrt ... Jetzt - einsam mit dir, zwiesam im eignen Wissen, zwischen hundert Spiegeln vor dir selber falsch, zwischen hundert Erinnerungen ungewiss, an jeder Wunde müd, an jedem Froste kalt, in eignen Stricken gewürgt, Selbstkenner! Selbsthenker! Was bandest du dich mit dem Strick deiner Weisheit? Was locktest du dich ins, Paradies der alten Schlange? Was schlichst du dich ein in dich - in dich? ... Ein Kranker nun, der an Schlangengift krank ist; ein Gefangner nun, der das härteste Los zog: im eignen Schachte gebückt arbeitend, in dich selber eingehöhlt, dich selber angrabend, unbehülflich, steif, ein Leichnam -, von hundert Lasten übertürmt, von dir überlastet, ein Wissender! ein Selbsterkenner! der weise Zarathustra! ... Du suchtest die schwerste Last: da fandest du dich -, du wirfst dich nicht ab von dir ... Lauernd, kauernd, Einer, der schon nicht mehr aufrecht steht! Du verwächst mir noch mit deinem Grabe, verwachsener Geist! Und jüngst noch so stolz, auf allen Stelzen deines Stolzes! Jüngst noch der Einsiedler ohne Gott, der Zweisiedler mit dem Teufel, der scharlachne Prinz jedes Übermuts! ... Jetzt - zwischen zwei Nichtse eingekrümmt, ein Fragezeichen, ein müdes Rätsel - ein Rätsel für Raubvögel ... sie werden dich schon "lösen", sie hungern schon nach deiner "Lösung", sie flattern schon um dich, ihr Rätsel, um dich, Gehenkter! ... Oh Zarathustra! ... Selbstkenner! ... Selbsthenker! ... Friedrich Nietzsche
Nietzsche Schwergelbe wolken ziehen überm hügel Und kühle stürme - halb des herbstes boten Halb frühen frühlings... Also diese mauer Umschloss den Donnerer - ihn der einzig war Von tausenden aus rauch und staub um ihn? Hier sandte er auf flaches mittelland Und tote stadt die letzten stumpfen blitze Und ging aus langer nacht zur längsten nacht. Blöd trabt die menge drunten . scheucht sie nicht! Was wäre stich der qualle . schnitt dem kraut! Noch eine weile walte fromme stille Und das getier das ihn mit lob befleckt Und sich im moderdunste weiter mästet Der ihn er würgen half sei erst verendet! Dann aber stehst du strahlend vor den zeiten Wie andre führer mit der blutigen krone. Erlöser du! selbst der unseligste - Beladen mit der wucht von welchen losen Hast du der sehnsucht land nie lächeln sehn? Erschufst du götter nur um sie zu stürzen Nie einer rast und eines baues froh? Du hast das nächste in dir selbst getötet Um neu begehrend dann ihm nachzuzittern Und aufzuschrein im schmerz der einsamkeit. Der kam zu spät der flehend zu dir sagte: Dort ist kein weg mehr über eisige felsen Und horste grauser vögel - nun ist not: Sich bannen in den kreis den liebe schliesst... Und wenn die strenge und gequälte stimme Dann wie ein loblied tönt in blaue nacht Und helle flut - so klagt: sie hätte singen Nicht reden sollen diese neue seele! Stefan George
Schöne Fremde Es rauschen die Wipfel und schauern, Als machten zu dieser Stund Um die halbversunknen Mauern Die alten Götter die Rund. Hier hinter den Myrtenbäumen In heimlich dämmernder Pracht, Was sprichst du wirr wie in Träumen Zu mir, phantastische Nacht? Es funkeln auf mich alle Sterne Mit glühendem Liebesblick, Es redet trunken die Ferne Wie von künftigem, großem Glück! - Joseph von Eichendorff
Steht noch dahin Ob wir davonkommen ohne gefoltert zu werden, ob wir eines natürlichen Todes sterben, ob wir nicht wieder hungern, Abfalleimer nach Kartoffelschalen durchsuchen, ob wir getrieben werden in Rudeln, wir haben's gesehen. Ob wir nicht noch die Zellenklopfsprache lernen, den Nächsten belauern, vom Nächsten belauert werden, und bei dem Wort Freiheit weinen müssen. Ob wir uns fortstehlen rechtzeitig auf ein weißes Bett oder zugrunde gehen am hundertfachen Atomblitz, ob wir es fertigbringen mit einer Hoffnung zu sterben, steht noch dahin, steht alles noch dahin. Marie Luise Kaschnitz (Text auf Umschlag des gleichnamigen Buches)
Verkehrt Wohl unglückselig ist der Mann. Der unterläßt das, was er kann, Und unterfängt sich, was er nicht versteht; Kein Wunder, dass er zu Grunde geht. Goethe
Was es ist Es ist Unsinn sagt die Vernunft Es ist was es ist sagt die Liebe Es ist Unglück sagt die Berechnung Es ist nichts als Schmerz sagt die Angst Es ist aussichtslos sagt die Einsicht Es ist was es ist sagt die Liebe Es ist lächerlich sagt der Stolz Es ist leichtsinnig sagt die Vorsicht Es ist unmöglich sagt die Erfahrung Es ist was es ist sagt die Liebe Erich Fried
Erinnerung Willst du immer weiterschweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da. Goethe
Zu spät Sie haben dich fortgetragen, Ich kann es dir nicht mehr sagen, Wie oft ich bei Tag und Nacht Dein gedacht, Dein und was ich dir angetan Auf dunkler Jugendbahn. Ich habe gezaudert, versäumet, Hab immer von Frist geträumet; Über den Hügel der Wind nun weht: Es ist zu spät. F. T. Vischer
Zusammenstellung:
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