"[...]18+/ No Trolling/Trading/Pix/ Kid- or Teensex.
Respect People! No Means No!"
-topic header eines IRCnet-Channels
Im Internet existiert ein Verhaltenskodex, die sogenannte Netiquette; von allen Usern wird erwartet, daß sie sich daran halten. Diese Netiquette kann man sich als ungeschriebenes Gesetz vorstellen; die Regeln sind relativ simpel und schränken die Meinungsfreiheit kaum ein. Zensur findet prinzipiell nicht statt, solange die User sich innerhalb eines relativ weit gesteckten Rahmens bewegen. Zudem betrachten die meisten User auch die Gesetze der "mainstream societies" als verbindlich. Verstöße gegen die Netiquette oder gegen Gesetze werden, je nach Schwere, durch andere Benutzer mit verschiedenen Mitteln - von Ermahnungen über flaming, kick & ban und Mail Bombing bis zur Weiterreichung der Mailadresse des betreffenden Users an die Polizei der jeweils betroffenen "mainstream society" - sanktioniert . Wenn ein Benutzer zum Beispiel bestimmte Konventionen innerhalb einer Internetgemeinschaft - etwa einem IRC-Channel - nicht beachtet, wird er zunächst einmal auf seinen Verstoß, oder auf das dem Channel zugeordnete FAQ-File verwiesen werden und erst bei weitere Mißachtung der Regeln gekickt werden; ein User hingegen, der sich als Inhaber eines Titels oder Polizeiamtes ausgibt und diesen falschen Titel ausnutzen will, um Geschäfte zu machen, sollte bei Entlarvung, wie auch in der realen Welt, mit echten Schwierigkeiten rechnen.
Neben der Netiquette, die wohl im größten Teil des Internet als verbindliche Basis für Verhalten und Umgang miteinander erachtet wird, haben die verschiedenen Internetgemeinschaften auch noch ihre eigenen Regeln. In vielen IRC-Gemeinschaften ist es zum Beispiel gängige Praxis, daß das Benutzen des Channels als unvereinbar mit dem gleichzeitigen Benutzen von Channels angesehen wird, die etwa der Distribution von kinderpornographischem Material dienen, und die Sanktion eines Verstoßes reicht vom einfachen kick/ban bis zur Weitergabe der Adresse des Nutzers des Pädophilen-Channels an die zuständige Polizeibehörde.
In manchen Channels ist es verpönt, öffentlich, also im Channel, zu flirten. Andererseits gibt es Channels, die allein dem Flirten gewidmet sind. Im einen Channel mag der Gebrauch eines beleidigenden Ausdrucks schon zur Verwarnung führen, gleichzeitig existieren aber auch Channels, etwa #insult im Undernet, in dem es um nichts anderes geht, als den anderen treffend zu beleidigen. Auch in vielen sexuellen Themen gewidmeten Channels existieren oft strenge Regeln, etwa ein Mindestalter, Verbot des Bilderhandels oder das Verbot, sich als potentiellen Partner anzupreisen Oft sind die Regeln schon im topic header des channels angedeutet oder im www abrufbar. Selbst in Channels wie #rape_fantasy wird zum Beispiel streng darauf geachtet, daß der Grundsatz "no means no" eingehalten wird. Gerade solche Channels, die sich mit in der realen Welt als anrüchig betrachteten Themen befassen, sind oft sehr bemüht, sich durch ihre Regeln von anderen Channels, die sich zum Beispiel mit illegalem Material befassen, entschieden abzugrenzen, und Verstöße werden oft rigoros mit kick/ban geahndet. Einige Channels haben sehr spezielle auf das Thema zugeschnittene Regeln, so etwa der Undernet-Selbsthilfechannel #suicide, der das Austauschen von Selbstmordmethoden schon im topic header verbietet.
Der Vollständigkeit halber muß an dieser Stelle allerdings gesagt werden, daß zur Zeit im Internet, wie ja auch in den Medien oft besprochen, keine wirklich durchgreifende Kontrollmöglichkeit besteht, die zum Beispiel den Austausch von illegalem Bildmaterial verhindert. Insbesondere im IRC wird, begünstigt durch die Möglichkeit, bei Bedarf einen neuen Channel zu eröffnen, der beim Verlassen, also nach dem Ablauf des Tausches, wieder verschwunden ist, immer ein Weg gefunden werden, solches Material zu handeln. Dennoch sollte nicht außer acht gelassen werden, daß wohl eine Mehrzahl der User einen solchen Handel nicht billigt und ihn auch innerhalb ihrer jeweiligen Gemeinschaft nicht zu tolerieren bereit ist und daß man zumeist bemüht ist, dies diejenigen, die diesen Handel betreiben, auch spüren zu lassen.
Die Art, in der Regelverstöße geahndet werden, variiert von Gemeinschaft zu Gemeinschaft und vor allem von Anwendung zu Anwendung. Im IRC wird es meist bei kick/ban bleiben, ein Einzelfällen und bei groben Verstößen kann es zu einer k-line kommen, die es dem betreffenden User unmöglich macht, sich in ein bestimmtes IRC-Netz (oder Teile des Netzes) überhaupt einzuloggen . In den Newsgroups, oder bei Mißbrauch von E-Mail wird zur Sanktionierung eher das Mail Bombing genutzt. Bei starken Verstößen besteht die Möglichkeit, den Provider des jeweiligen Nutzers zu benachrichtigen, was zum Beispiel mit einer Sperrung des Internet-Accounts enden kann, oder die Nutzerkennung an die Polizei weiterzugeben.
Die bestehenden Konventionen und Mechanismen werden meist offen diskutiert - Themen solcher Diskussionen sind etwa 'welcher Regelverstoß ist schlimm genug um einen ban zu rechtfertigen' - und es existieren diverse Dokumente, die die Regeln den neuen Benutzern erklären. Wie in der realen Welt unterstützen die jeweiligen Regeln innerhalb einer Gemeinschaft Konformität, Konfliktpotentiale sollen gemindert werden. Wer sich an die Regeln einer Gemeinschaft nicht hält, wird in der jeweiligen Gemeinschaft nur schwerlich Aufnahme finden.
Copyright © 1997 I. Strübel. All Rights Reserved. Nutzung des Textes nur mit ausdrücklicher Genehmigung.