diaconía
betreut etwa 200 sogenannte Integralprojekte vor allem im zentralen und
im nördlichen Peru.
Ein Integralprojekt
umfasst die Untersuchung der Sozialstruktur einer Region, der klimatischen
und agrarischen Bedingungen und der vorhandenen örtlichen Traditionen.
Dann
werden die Möglichkeiten untersucht, mit welchen Mitteln die Lebensbedingungen
der Bevölkerung verbessert werden können. Dabei wird versucht,
zum Teil verloren gegangene landwirtschaftliche Anbauweisen und handwerkliche
Techniken aus der Inkazeit wieder zu beleben.
Anliegen
der diaconía ist es, vor allem mit der Bevölkerung zusammen
zu arbeiten und keinen Kulturkolonialismus zu betreiben.
Als christliches
Werk bemüht sich diaconía auch um eine behutsame Vermittlung
ethischer Werte, die durch die spanische Kolonialzeit oft verloren gegangen
sind.
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Mitbegründer und jahrzehntelanger Geschäftsführer von DIACONIA wechselt - wie er sagt - "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" am 31. Dezember 1996 in den Ruhestand. Aus diesem Anlaß interviewte Pastor Ekhard Brandes Herrn Robert Funk. Im Anschluß an dieses Interview schildert unser Gemeindepräsident, Herr Rudolf Wüst, seine Erfahrungen mit Herrn Robert Funk.
EB.: Guten Morgen, Robert. Ich habe ja Glück, daß ich
dich erreiche, Darf ich dir für unser Gemeinde-blatt ein paar Fragen
stellen.
RF: Ja, gern. Eigentlich sollte ich seit heute früh schon unterwegs
sein, aber meine Abfahrt hat sich verzögert. Ich habe also noch etwas
Zeit.
EB.: Du bist Schweizer, in der Schweiz geboren, doch von wo kommst
du genau?
RF: Ich bin im Kanton Bern, praktisch im Außenbezirk von
Bern geboren. Eigentlich bin ich im Kanton Thurgau aufgewachsen. Die ersten
drei Primarklassen habe ich in Lausanne absolviert
EB.: Lausanne, das ist doch die französischsprachige Schweiz!
Dann bist du also zweisprachig aufgewachsen?
RF: Im Prinzip ja, von der Primarschule her. Mein Vater war in einer
Papierfabrik Betriebsleiter und hinterher sind wir dann in die Deutschschweiz
gewechselt. Das war während des Krieges. Die restliche Schulzeit war
ich in Weinfelden. Nachher habe ich wieder in der Westschweiz gelebt und
dort gearbeitet. Ich war zwei Jahre in einem Druckereimaschinenberieb.
Ich bin dann nach Zürich gewechselt und habe dort eine vierjährige
Mechanikerlehre gemacht. An-schließend habe ich im zweiten Bildungsweg
das In-genieurwesen studiert. Gleichzeitig habe ich gearbeitet.
EB.: Wo hast du damals gearbeitet?
Ich arbeitete damals in einer Maschinenfabrik.
EB.: Dann hast du einen vollen Achtstundentag gehabt und dann noch
das Studium?
RF: Ja, Ja, damals galt die 48-Stunden-Woche, und es wurde auch am
Samstag noch gearbeitet. Die ein-zige Ausspannung war der jeweils dreiwöchige
Militärdienst. Der Rest war Studium und Arbeit. Es war sehr anstrengend,
denn die Examina waren in am Sonntag, und auch am Sonntag ging man immer
zur Schule. Der Arbeitgeber durfte vom Studium nichts wissen, das hätte
Probleme gegeben.
EB.: Wann hast du denn das Studium abgeschlossen?
RF: Ich habe die Lehre 1953 und das Studium 1958 abgeschlossen. Während
des Studiums war in den Ferien auch schon manchmal weg. Ab da habe
ich auch eine Montageausbildung gemacht, teilweise in den schweizer Kraftwerken,
teilweise in Frankreich. Ab 1960 war ich dann permanent unterwegs. Als
er-sten langen Auslandsaufenthalt war ich zwei Jahre in Assuan
in Ägypten und gleich danach war ich drei Jahre in Indien für
andere Bewässerungsprojekte, wo ich dann allein war.
EB.: Das war schon im Auftrag des LWB?
RF: Nein, nein, das war im Auftrag der Industrie. Ich kam auch im Auftrag
der Industrie zum ersten Mal nach Perú, 1967 für zwei Kraftwerkbauten
und wurde auch Mitglied der hiesigen deutschsprachigen Ge-meinde aufgrund
meines Aufenthaltes hier. - Damals wurde zum ersten Mal auch die Orgel
geflickt. - Auf-grund dieser Verbindung ging ich dann nach Uru-guay und
später in den Iran. Als ich im Iran war, war hier das große
Erdbeben (30. Mai 1970), und da hat mich die hiesige Gemeinde gefragt,
ob ich nicht nach Perú zurückkommen möchte für zwei
Jahre zum Wie-deraufbau. Das habe ich abgelehnt und da hat mich der Lutherische
Weltbund gefragt, den kannte ich gar nicht und wußte auch nichts
von der Existenz ei-nes Lutherischen Weltbundes. Gut, und aufgrund ir-gendwelcher
spezieller Sachen habe ich dann zuge-sagt, und da bin ich dann heute eben
hier. Angefan-gen hat es aber doch hier in der lutherischen Kirche,
komischerweise genau am Silvesterabend da ist die Entscheidung gefallen
von einer Predigt über Offenbarung 21, wo es heißt: "Er macht
alles neu!" Ich stand damals in einer persönlichen Krise, wie ich
mich entscheiden sollte. Ich habe mich dann entschieden und bin seinerzeit
aus Perú weggegangen nach Uruguay, wo ich mich als Spezialist
für Dampfturbinen und Dichtungen ausbilden ließ.
EB.: Die endgültige Entscheidung, nach Perú wieder zu kommen,
ist dann 1970 im Iran gefallen?
RF: Ja, aber das ging dann ein bißchen schief. Ich sollte eigentlich
schon im Oktober kommen, aber ich hatte drei Wochen Verspätung, weil
ich die Sache noch zuende bringen mußte. Als ich dann in Teheran
ausreisen wollte, gaben mir die Iranis keine Ausrei-sebewilligung. Ich
mußte dann in Aserbeidschan in der Sowjetunion für Pumpstationen
einer Pipeline arbeiten. Ende Dezember 1970 / Anfang Januar 1971 bin ich
dann in die Schweiz gekommen. Doch hatte man mich beim Lutherischen Weltbund
längst aufgegeben. Man rechnete gar mehr nicht mit mir. Man hatte
dann hier zwischenzeitlich einen lokalen Architekten engagiert. Die haben
dann große Pläne gemacht, und der Lutherische Weltbund stand
da als der große Finanzier. Ich war, als ich dann hierher kam, mit
dieser Projektierung nicht einverstanden. Andererseits hatte ich hier von
der Kirche wenig Unterstützung, denn man wollte erst einmal schauen,
wer ich war, und die Kirche wollte auch kein Risiko eingehen. So haben
wir am Anfang eine komische Situation gehabt, denn einerseits habe ich
für den Lutherischen Weltbund gearbeitet, den es hier gar nicht gab,
andererseits kamen politische Probleme mit dem Velasco (Militärdiktator
in den siebziger Jahren) hinzu, daß sich die Kirche irgendwie davor
schützen mußte, daß der Staat Einfluß nehmen würde
auf die Gemeinde und den Kirchenrat. So war ich dann ziemlich alleingelassen
für mehrere Jahre. Ich hatte damals keine feste Stelle, immer nur
Zweijah-resverträge. Nach sechs Jahren wurde ich dann gefragt, ob
ich gehen oder bleiben wollte. Ich entschied mich zu bleiben. 1978 beschloß
der Lutherische Weltbund, ein Langzeitprojekt daraus zu machen, und so
hatte ich dann eine feste Stelle. Dann hat si-che die Situation radikal
geändert. Früher haben wir immer selbst fundrising bei lutherischen
Organisa-tionen wie bei EZE und Brot für die Welt gemacht, Wir waren
ein bißchen ihre Ablagestelle, bis dann 1976 beim Lutherischen Weltbund
eine Arbeistgruppe für Südamerika eingerichtet wurde. So bekam
un-sere Arbeit ihren Wert. Vorher war unser Projekt beim Lutherischen Weltbund
kaum beachtet worden, weil Südamerika eigentlich gar nicht ihr Gebiet
war.
EB.: Dann hast du in der ersten Zeit zwischen allen Stühlen
sitzen müssen?
RF: Ja, so ungefähr. Das war schon eine schwierige Sache. Die
ersten zwei Jahre waren auch wahnsinnig hart. Nach zwei Jahren fing dann
meine Arbeit an zu greifen, ich habe dann gefragt, ob ich noch ein Jahr
bleiben dürfte, da die Projekte noch gar nicht fertig waren und es
in dieser Zeit überall anfing, anzulau-fen. Die Leute fingen an, nun
selbst mitzuarbeiten, denn damals waren sie vom Erdbeben gewohnt, nur die
Hand aufzuhalten. Wir mußten die Leute erziehen und zur Arbeit anhalten,
weil die großen Spenden nach und nach ausblieben. Das war ein ziemlich
schmerzhafter und interessanter Prozeß beidseitig.
EB.: Was waren denn eigentlich die ersten Maßnah-men, die du
hier durchgeführt hast?
RF: Die ersten Maßnahmen erfolgten aufgrund einer Verbindung
über dieses lokale Architektenbüro im Callejon de Conchucos.
Das hing zusammen mit dem damaligen Bischof von Huari, Mons. Dante Frazneli,
mit dem es dann in der Folgezeit schwierig war, weil wir praktisch
für ihn nur der Geldgeber waren. Zum anderen hatten wir eine sehr
gute katholische Schwester, die mit uns mitarbeitete. Sie wurde dann später
nach Italien versetzt, wohl auch deswegen. Ansonsten hatten wir ein sehr
gutes Verhältnis zur katholischen Kirche und haben gemeinsame Projekte
gemacht: Wiederaufbauprojekte, Aufbau von Schulen, vor al-lem Trinkwasserversorgung
und Bewässerung. Das waren die ersten Maßnahmen. Es wurde eine
koope-rative Arbeitsinitiative für eine Schlosserei gemacht.
In Huari wurde eine Tankstelle gebaut. Damit wur-den die Erdbebengeschädigten
unterhalten, vor allem die alten Landarbeiter, die sonst von Koka lebten.
Es fand ein abruptes Ende, als der Bürgermeister sich als Abgeordneter
zur Wahl stellte, die Tank-stelle "privatisierte" und das Geld für
seinen Wahlkampf ausgab.
EB.: Du sagtest: Ab 1976 sei es besser geworden.
RF: Ja, wir hatten ziemlich große Arbeiten, ein gro-ßes
Kraftwerk dort auch gebaut, zwei Turbinen von 150 Kilowatt, deswegen
steht heute eine großes Spital dort in Chacras. das hat hauptsächlich
ein ka-tholischer Priester verwaltet. Wir haben dann sehr expandiert. Wir
haben auch im Urwald gearbeitet. Das Ganze hat sich sehr ausgeweitet. Wir
waren so-zusagen auch die Pioniere darin, mit den Leuten für die Leute
zu arbeiten. In den siebziger Jahren waren das alles noch Pilotprojekte,
Pilotfarmen und solche Sachen. Wir haben von Anfang an zusammen mit den
Betroffenen die Wiederaufbauhilfe gemacht. Da sind auch eindrückliche
Zahlen: zusammen mit den Über-schwemmungsprojekten haben wir ungefähr
220 neue Schulen gebaut, die Hälfte davon in Dörfern, in denen
es vorher keine Schulen gab, wo die Leute noch Analphabeten waren. Bewässerungsprojekte
sind es ungefähr um 160 herum und etwa gleich viele Trinkwasserprojekte
innerhalb von Infrastruktur-projekten. Dann haben wir mit anderen Hilfsorgani-sationen
zusammengearbeitet. Wir haben den Popcorn- und den Urubambamais im Callecon
de Conchucos eingeführt. Es wurde eine interessante Zone, die
auch Saatgut produzierte. Wir haben, man sieht es heute, von man in das
Tal hineinkommt, den Anbau von Gerste bewirken können. Heute sind
es sehr eindrücklich Bilder einer Landschaft, die es früher so
nicht gab. Früher gab es dort nur Gras und Puna.
EB.: Seit wann hat Diaconía die Struktur, die es heute hat?
RF: Die Neustruktuierung hat eigentlich 1983 angefangen. Das hat zu
tun mit der juristischen Verantwortung, welche die kleine Kirche bisher
zu tra-en hatte. Es gab ziemliche Risiken, z.B. beim Bau, daß ein
Schuldach einfällt. Es gab aber auch Risiken vom Terrorismus her.
Wenn wir irgend etwas machten, dann wäre eben die Kirche dafür
der Verantwortliche gewesen. So haben wir uns eben entschlossen Diaconía
selbständig zu machen. Dazu kam, daß es in einer Kirche auch
ziemlich konservative Leute gibt. Man kann auch nicht aus arbeitstechnischen
Gründen jedes Projekt zur Beratung vorlegen, das gäbe Tage zur
Beratung. Das kann man nur in Pa-keten machen. Wenn ein Schulprojekt vorliegt,
geht es um 15 bis 20 Schulen, und bei Bewässerungsprojekten sind es
etwa auch so viel. Da kann man nicht jedes einzelne Projekt so abhandeln.
Vor allem, um die neue Organisation vor Terroranschlägen zu schützen,
haben wir das Ganze dann aufgeteilt. Wir haben die Buchhaltung ausgelagert,
wir haben die Regionalbüros möglichst selbständig gemacht,
damit, wenn irgendwo die Bombe einschlägt oder irgend etwas passiert,
man die Leute überall verladen konnte. Deswegen haben wir heute auch
im Gebiet von Lima Projekte, um die Leute auch hier einsetzen zu können.
Wir konnten ihnen doch nicht einfach kündigen, sie hatten doch alle
ihre Arbeitsverträge. Daher haben wir auch dieses Projekt in San Bartolo,
wo wir beide einmal waren, mit den Kakteeen und der Indigoproduktion.
Das ist der Grund, weshalb wir auch im Departement Lima arbeiten. Die Maßnahmen
mögen heute nicht mehr nötig sein, aber damals waren sie sehr
nötig und haben auch dazu verholfen, daß wir keine größeren
Verluste einstecken mußten.
EB.: Du sprichst gerade vom Terrorismus. Das ging Anfang der Achtziger
Jahre los.
RF: Ja, Anfang der Achtziger Jahre. Wir hatten da-mals ein Projekt
in Cora Cora, das dann völlig von den Terroristen kontrolliert wurde.
Wir hatten dann auch ein Projekt in Ayacucho. Zum ersten Mal wur-den wir
vom Phänomen des Terrorismus betroffen, als zwei Leute verschwanden
und sich einfach nicht mehr zurückmeldeten. Wir hatten ein Ausbildungs-projekt
von Krankenpflegern zusammen mit dem Spital von Ayacucho, und auch Schulen
und Anbau-projekte gemacht, in Ortschaften im Umkreis von ungefähr
150 km um Ayacucho herum Zwei Leute hatten sich nicht mehr zurückgemeldet.
Wir hatten den Eltern mitgeteilt, daß die Rucksäcke bei uns
stünden, aber sie tauchten einfach nicht mehr auf. Später wurde
das Zeug irgendwie aufgelöst. Bedro-hungen hatten wir eigentlich nie
richtig erfahren. Das ist eigentlich erstaunlich, außer daß
wir zwei Kollegen abziehen mußten, der eine wurde bei einer Hilfsorganisation
in Piura untergebracht. Der andere arbeitet bei uns in Ancash. Wir hatten
eigentlich trotzdem, daß wir mitten im Ring steckten kein Pro-blem.
Wir wohnten sogar einmal im Pfarrhaus, in Cora Cora, weil es dort keine
Priester mehr gab. Wahrscheinlich waren wir bei diesen Leuten durch unsere
Arbeit in den Dörfern bestens bekannt.
EB.: Du sagtest einmal, daß die Diaconía-Projekte deshalb
nicht von den Terroristen des Sendero Luminoso angegriffen worden seien,
weil sie von den Be-wohnern als ihre eigenen Projekte anerkannt und nicht
als vom Ausland gesponserte Projekte angese-hen gewesen seien.
RF: Ja, wir haben auch nur kleine Projekte gehabt. Die Bauten
waren immer von den örtlichen Kräften mit örtlichen Material
gebaut. Dann sind wir unauffällig gewesen. Wir hatten nie große
Fahrzeuge, zweitens hatten wir mit den Bewohnern zu tun, und die
Bewohner haben uns auch geschützt.
EB.: In dem Sinne geschützt: Die gehören zu uns, das hier
ist unser Eigentum. Laßt uns in Ruhe.
RF: Es gibt eine komische Geschichte. In der Gegend von Cura Cora haben
einmal die Leute aufgehört zu arbeiten, weil sie Material brauchten.
Wir hatten zwar dieses bestimmte Material, aber wir durften es aus Sicherheitsgründen
nicht weitergeben. Und da kamen jene Leute vorbei und haben uns aus ihren
Beständen das benötigte Zeug hingestellt.... Solche Sachen kamen
auch vor.
EB.: Einmal hast du erzählt, daß ein Projektmitarbeiter
von den Terroristen des Sendero Luminoso gezwun-gen wurde, eine Kollegin
zu ermorden?
Wir hatten jemand von einer lokalen Organisation, deren Name
ich jetzt nicht erwähnen möchte, für ein Jahr in der Nähe
von Ucuyo kontraktiert. Das liegt im Callecon de Conchucos. Als wir 1984
dort auszo-gen , weil die Sache prekär wurde und es auch kaum noch
Leute da gab. Wir hatten einen Mann als Weber eingestellt, der den Leuten
das Weben und Fär-ben in Naturfarben zeigen mußte. Kurz vor
Weihnachten gab es Bürgermeisterwahlen. Da wurde eine Frau gegen ihren
Willen gewählt und gegen Drohungen des Sendero, daß sie keine
Wahlen möchten. Die Leute haben das nicht akzeptiert. Drei Wochen
nach den Wahlen sind sie in die Ortschaft eingedrungen, haben das Dorf
abgeriegelt, die Bewohner alle auf den Platz beordert, einschließlich
die Kinder des Kindergartens. Dann wurden die autoridades gefesselt hergebracht.
Mit Bajonetten haben sie sie traktiert. Diese Frau, um die es da ging,
war nicht eine direkte Mitarbeiterin, aber sie hatte eine líder-Stellung
(leitende Stellung), sie war eine ehemalige Lehrerin. Mit ihr hatten wir
schon früher in zwei Di-strikten zusammengearbeitet, um Frauenprojekte
im Stricken und Weben durchzuführen. Unser Mann ar-beitete mit dieser
Frau zusammen. Und dann kam der Sendero, und hat die zwei autoridades vor
den Augen der Bewohner mit Bajonetten niedergestochen und der Mann wurde
gezwungen, diese Frau zu erdrosseln mit einem Strick. Und das war seine
Ar-beitskollegin. Ich habe das zuerst nicht geglaubt, doch da waren Augenzeugen,
die mir das bestätigten. Er selbst hat mir später davon erzählt:
Es ging um sein Leben. Er erdrosselte die Frau so, daß es schnell
ging und sie nicht leiden mußte, Er hatte kei-ne Wahl: ihm
wäre selbst die Kehle durchgeschnit-ten worden und so erdrosselte
er die Frau.
EB.: Das war sehr schlimm! Du erzähltest einmal, daß du
selbst brenzlige Situationen erlebt hast.
RF: Ja, doch da ging es nicht um mich, wer ich war, sondern um
mein Vehikel bei einem Transport. Doch dann ist der Wagen stillgestanden,
weil der Diesel nicht reichte. Da bin ich zum Glück ´rausgekommen.
Es war genau dort, wo ich heute hingehe.
EB.: Du hast mit einmal erzählt, sie hätten zehn Minuten
lang die Waffe an die Schläfe gehalten und beraten, ob sie dich erschießen
wollten.
RF: Ja, ich saß da mit gekreuzten Händen hinter dem Kopf
und habe die ganze Zeit der Diskussion zugehört, was sie mit mir machen
wollten.
EB.: Und sie haben die ganze Zeit dir die Waffe an die Schläfe
gehalten?
RF: An den Nacken, ja.
EB.: Und du bist einmal verletzt worden?
RF: Ja, gut. Aber das ist etwas anderes. Ich bin einmal angeschossen
worden und war neun Monate lang in der Rehabilitationsklinik in der Schweiz,
aber das hat nichts mit dem Terrorismus zu tun. Das waren einfach Kriminelle
gewesen, die mir den Jeep ab-nahmen vor meinem Haus am hellichten Nachmittag,
am Samstag, den 19. Mai 1990. Da waren jede Men-ge Leute auf der Straße.
Da wurde ich angeschossen, ins Knie, und dann sind sie mit dem Auto davongefahren.
EB.: Wie siehst du eigentlich - jetzt vom Terrorismus einmal weg zu
kommen - die Entwicklung bei Diaconía. Eigentlich ist sie
ein etablierter Verein geworden.
RF: Diaconía hat eigentlich früher schon einmal mehr Mitarbeiter
gehabt. Wir waren einmal 90 Mitarbeiter.
EB.: Und jetzt sind es etwa vierzig, nicht wahr?
RF: Ja, etwa vierzig. Wahrscheinlich wird das ein bißchen steigen.
Heute wird viel mehr vom Büro aus geplant, was wir früher mehr
vor Ort gemacht haben. Wegen der internationalen Hilfsorganisationen muß
viel mehr hier in Lima vorgeplant werden. In gewisser Weise ist das auch
gut, aber im gewissen Teil verliert die menschliche Komponente darunter.
Es ist wahnsinnig wichtig, daß man mit den Leuten im permanenten
Kontakt ist und ihnen Raum geben kann. Die ganze Übung hat ja den
Sinn, daß die Leute sich selbst ernster nehmen, sich selbst mehr
zutrauen und von sich aus und aus eigener Initiative die Sachen
machen. Das hat in den letzten Jahren gewaltig abgelassen - Dank oder Undank
der vielen Hilfen, da können wir uns einschließen, weil
doch ganz automatisch einfach um Hilfe gebeten oder geschrieen wird, was
früher im gewissen Sinn nicht ge-tan wurde, weil man sich mehr vertraute.
Es kommt dazu, daß jetzt der Staat alle Projekte finanziert, und
dazu noch - um Wählerstimmen oder was immer zu bekommen - auch die
Löhne finanziert hat, und das hat eine ganz gewaltige Einbuße
an Selbstentwick-lungswillen gebracht. Außerdem spielt eine Rolle,
daß die autoridades von den Sendero-Leuten be-droht worden sind,
ihre Ämter dann nicht mehr aus-geübt wurden, und unter diesen
Umständen es heute einfach eine Umstrukturierung gibt, wo der Bürger-meister
nicht mehr die Leitung hat. Früher hat ei-gentlich die Comunidad ihr
Brauchtum: da wurden die Leute gebüßt und bestraft, es gab auch
mal Schläge oder was immer, aber es hat gut funktio-niert. Vieles
wurde nach alter Tradition in den Com-unidades geregelt. Heute fehlen diese
Autoritäten. Heute sind es zugezogene Spezialisten und Fachleute,
die dort arbeiten. Doch auch ein Techniker ge-nügt nicht..
EB.: Eine letzte Frage: Was wünschst du der Diaconía für
die Zukunft?
RF: Bueno, vor allem möchte ich Diaconía als eine Organisation
wissen, welche dem Nächsten hilft. Vor allem möchte ich die menschliche
Komponente bewahrt wissen - vor allem die christliche. Das hat mir von
Anfang sehr viel bedeutet und sollte auch wieder mehr Bedeutung bekommen,
denn zu sehr überneh-men die Technik und die Vorschriften die Vorstellung
von dem, was wir instand setzen wollen. Zum anderen ist es wichtig, daß
unter den Equipen ein gutes Einverständnis herrscht, und daß
die Leute ihre Arbeit in einem gewissen Auftrag machen. Daß sie nämlich
nicht nur den Lohn sich verdienen, sondern auch einen Hintergrund von Nächstenliebe
sehen. Eine lange Zeit haben wir viel Zeit und Energie verwendet
auf diese Art von Bewegung und auf Bewußtseinsbildung. Das sollte
wieder vermehrt bei uns Eingang finden. Es ist nicht wichtig, daß
wir viel machen, sondern vielmehr daß wir es gut machen, denn die
Dimension einer Organisation sagt nichts über ihre Qualität aus.
Und da finde ich es beängstigend, daß viele neue Sachen angefangen
werden und nun müssen sie neu expandieren. Da wird in den nächsten
fünf Jahren gewaltig viel Arbeit auf die Leute zukommen.
EB.: Was plant der Pensionär Robert Funk?
RF: Bueno, also ich werde in diesem Arbeitsgebiet bleiben und ein wenig
freiwillig mitarbeiten. Ich bin Präsident zweier Organisationen. Dann
habe ich noch die voz de la mujer (Stimme der Frau), und ich bin ein bißchen
dran herumzuschauen, ob ich mich eventuell mit einem Stückchen Land
betreuen will, um ein bißchen Landwirtschaft zu betreiben mit ein
wenig Früchte- und Bioanbau. Wo das sein soll, bin ich noch am Schauen
- möglicherweise an der Car-retera Central.
EB.: Robby, ich danke dir ganz herzlich für dein Interview. Wenn
ich noch Fragen habe, darf ich mich bei dir melden.
RF: Ja, ich danke dir. Ich fahre nach Bolognesi, um einige Projekte
abzuschließen und einige neu anzu-leiern. Am Samstag bin ich wieder
da.
EB.: Dann wünsche ich dir eine gute Reise. Komm wieder heil zurück!
Bemerkung vom 21.8.1997: Seit drei Monaten arbeitet der Pensionär
Robert Funk im Auftrag des Luherischen Weltbundes als Felddirektor auf
Haiti, um den dortigen Kollegen nach dessen schwerer Erkrankung zu vertreten.
BERICHT EINER EINWEIHUNG AUS DEM JAHRE 1976:
SIPHON "EL PORVERNIR" IM CHICAMA-TAL
Wenn man sich jahrelang mit der Wiederaufbau- und Entwicklungsarbeit
beschäftigt, so glaubt man genü-gend Wissen zusammengetragen
zu haben, um über dieselbe urteilen zu können. Ich nahm deshalb
die Einladung zur Einweihung des Siphons in "El Por-vernir" an, um am Ort
zu prüfen, ob meine Grundein-stellung zur Entwicklungshilfe mit der
Realität über-einstimmen könne.
Die Reise bis nach Trujillo zu beschreiben erübrigt sich. Wer
hat nicht schon 550 Km. auf der Panameri-cana Norte zurückgelegt?
Allerdings ist man schon ei-nigermaßen zerrüttelt, wenn man
diese Strecke in ei-nem Geländefahrzeug zurücklegt. Von Trujillo
fährt man das wunderschöne Chicama Tal hinauf, bekannt durch
die größte Zuckerrohrplantage und Zuckerfa-brik Perus. Nach
der Übernachtung in Chimú, ein Quellbad mit eisenhaltigem 35
- 50º warmen Wasser und einem für mich - als Stadtmensch
sehr be-schwerlichen Anstieg (bei damals 40 Zigaretten am Tag!) - wurden
wir von einer festlich geschmückten Dorfgemeinschaft mit Musik und
Paukenschlag freundlich und sehr emotionell begrüßt.
Ein kurzer Imbiß - um wieder zu Kräften zu kommen - und
der offizielle Einweihungsakt begann. Während die "hohen Gäste"
unter dem Dach der Schule Platz nehmen durften, standen die Schulkinder
schön in Reih und Glied mit der Dorfgemeinschaft unter der sengenden
Sonne. Nach einer einmalig, durch die Dorfkapelle gespielten Nationalhymne
(die Noten wa-ren auf dem Rücken des Vordermannes angebracht!), hatte
nun fast jeder Gelegenheit einige Worte zu spre-chen. Daraufhin - es waren
inzwischen 2 Stunden vergangen - wurde neben der kleinen Dorfkapelle ein
Gedenkstein enthüllt, wobei ich - als Vertreter der Lutherischen Kirche
soll man das ja können - den Se-gen sprechen durfte. Einen Überblick
in die Arbeit konnte ich bei der Einsegnung des Ausganges und Einganges
des Siphons gewinnen. Dieser Erstreckt sich von einem naheliegenden Berge
kommend, durch ein über 50 Meter tiefen Tal. Beim Eingang ist eine
Entsandungsanlage um den Sand aus dem Was-ser zu filtern. Die Rohre
mit einem Durchmesser von fast 3o cm mußten gegen die Hitze zum Teil
in die Er-de verlegt werden. Dabei mußte ich nicht nur an den beschwerlichen
Anweg der Plastikrohren denken, sondern ganz besonders an die wirklich
technisch hervorragende Arbeit, die durch unserem Robert Funk - mit der
Unterstützung des holländischen frei-willigen Aris Klosterman
- geleistet wurde.
Wenn auch die Bewässerung von 150 Hektar Land im Vergleich mit
dem Reichtum des Chicama Tales viel-leicht gering erscheinen dürfte,
so bedeutet doch diese Möglichkeit für die Dorfgemeinschaft von
"El Porve-nir" durch Zugewinnung von anbaufähigem Land, ihr Einkommen
in Kürze verdoppeln zu können.
Durch unsere Gespräche mit den Dorfältesten konn-ten ich
auch in die Problematik Einblick gewinnen, wie nun diese 150 Hektar bearbeitet
werden sollen. Durch die Agrarreform ist nun jedem einzelnen Dorf-bewohner
ein Teil der ehemaligen Hazienda zugewie-sen worden, ohne daß bisher
eine offizielle Bestäti-gung oder Grundbucheintragung vorliegt. Das
neue Land ist ebenfalls schon aufgeteilt, obwohl auch hier die legale Situation
nicht ganz zu überblicken war. Soll nun versucht werden in einem gemeinsamen
Ko-operativenprojekt dieses Land zu bearbeiten, oder soll jeder für
sich seinen Teil beanspruchen? Dies waren die Fragen die auf uns zukamen
und deren Antwort wir nicht geben konnten. In einer eiligst zusammenge-rufenen
Versammlung der ganzen männlichen Bevöl-kerung wurde deshalb
versucht, ihnen die verschie-denen Möglichkeiten des Anbaues zu erklären
und ihnen aufgetragen, selbst zu einem Entschluß zu kommen.
Für uns sollte die Einsicht in solche Problematik die Frage eröffnen,
ob es denn genug sein sollte, den Dorfgemeinschaften durch die Entwicklungshilfe
die "materielle Not" zu beseitigen oder ob wir die Aufgabe im Ganzen anfassen
müssen. Gerade in den kleineren Dorfgemeinschaften ist durch das anfängliche
Projekt eine sehr starke und gute Bindung entstanden und somit eine Verbundenheit
gewonnen worden, wirklich ein erfolgbringendes Sozialprogramm durchführen
zu können. Allerdings wäre hierfür ein zweiter Robert Funk
nötig!
![]() ![]() Ev.-Luth. Kirche Perú, Lima 27. Dem Gemeinde-Webring beitreten? |
---|
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Pastor Ekhard Brandes brandes@mail.cosapidata.com.pe
Sie sind der .
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