sachverstand2 @ geocities.com
Sommerferien 2002
Donnerstag.
Es ist 10 Uhr morgens, und es ist ganz schön heiß. Die Süße steht mit Paul am Gartentor, sie winken mir nach. Steht ihr gut, der dicke Bauch, in 3 Monaten kommt mein zweiter Sohn zur Welt.
Überraschenderweise paßt alles, was ich brauche, in den Tankrucksack. Nun hab ich den Rucksack dennoch auf dem Buckel, mit nix als ner Flasche Wasser drin. Wird schon zu was gut sein.
Ich nehme die B45 bis Darmstadt und wechsle dort auf die A5. Leider sind die Betonplatten inzwischen entfernt, so daß die Fahrt sehr ermüdend wirkt und ich die Ausfahrt Karlsruhe beinahe verpasse. Direkt daran steht ein riesiges, quaderförmiges Haus aus Glas, der Reichstag würde zweimal reinpassen. Übereinander. Es ist ein Möbelhaus.
Ich parke in der Nähe des Haupteinganges, nachdem ich die Einfahrt endlich gefunden habe. Mein Parkplatz ist wirklich einer der allernächsten. Ich bin von der Sonne fast erschlagen, als ich die Tür erreiche.
Zwei Rentner kommen mir entgegen. Sie weichen instinktiv zur Seite, schließlich trage ich Moppedklamotten.
Das Restaurant ist im 8. oder 12. Stock, schwer zu schätzen. Ich suche mir einen Platz am Fenster. Alles Nichtraucher. Ich werd's überleben.
Das Essen ist okay. Von hier oben sieht meine Suzi aus wie ein Stück Fliegendreck auf einem ziemlich großen grauen Handtuch. Ich genehmige mir noch einen Kaffee in der Raucherzone.
Ein Kind guckt mich neugierig an. Ich knurre kurz und grinse dann. Es lächelt zurück. Sein pflichtbewußter Vater zieht es weg.
Anschließend gehts durch Karlruhe nach Ettlingen. Ettlingen ist ein verdammtes mittelalterliches Städtchen voller Rentner - und eine Sackgasse. Nach 20 min Suchen bin ich wieder an der Ortseinfahrt und finde endlich das Schild nach Bad Herrenalb.
In Herrenalb ist Baustelle. Umleitung. Ampeln. Ich hol mir Bargeld.
Vielleicht bin ich ja paranoid. Ich finde aber, es geht keinen was an, mit was ich wo lang fahre. Bargeld hinterläßt wenig Spuren - eine Kreditkarte bildet einen perfekten Lebenslauf incl. Consumer-Profil.
Nanu, muß dreimal orgeln, bis sie anspringt. Ist wohl noch heiß. Wovon nur?
Als nächstes muß ich tanken. Tanken sind nie da, wenn man mal welche braucht. Auf Reserve finde ich schließlich eine.
Ich find mich prima ausgerüstet: Bargeld, Moppedjacke aus Plastik mit Protektoren (außer am Rücken), 2 Hemden, 2 Hosen, 6 Satz Unterwäsche, Handtuch, Zahnpaste etc, Werkzeug, Ersatzlampen. Paßt alles in den 40-l-Tankrucksack (50-DM-Schnäppchen bei Polo) bzw. in den Moppedschwanz. Kein Zelt - ich such mir Hotels. Ich hab's ja... nee, aber ich hab keine Lust, Campingplätze zu suchen. Sie liegen abseits, sind schlecht ausgeschildert und insektenreich und haben schlechte Restaurants. Ich fahr nun wirklich selten Mopped, da kann ich mir auch mal Hotels gönnen, die liegen an der Straße und kosten keine Zeit.
Als ich den Zapfhahn zurückhänge, geht es schon das drittemal: ööööömmm - ööööömmm - klack - ööööööööööööööm... Moppedfahrerrevier hier. Leider alles wassergekühlte Vierfüßler oder Milwaukee-Schrott.
Egal. Sie werden nicht so weit und so hoch kommen wie ich (weil sie sich nicht so weit von der Ersatzteilquelle wegtrauen), sie werden nicht so viel Spaß haben, sie werden nicht dermaßen schweinegünstig unterwegs sein, und ich werde sie überholen. Paßt schon.
Ich frage die Blondine hinterm Tresen, wo's zur B500 geht. Sie zeigt in die Richtung des aktuellen ööööööööhs. Was sie sagt, versteh ich nicht, wegen dem öööö und der Mundart, aber was sie meint.
Muß zweimal ansetzen bis sie anspringt. Wahrscheinlich die dünne Luft.
Ah! Die B500! Kaum biste umme Kurve da stehts schon dick und fett auf einem Schild. Auf sie mit Gebrüll.
Verflixt. Was hier brüllt sind eher die anderen. Bin schon 1 km weit unterwegs, hab noch keinen überholt, aber mindestens 5 sog. Superbeix haben mich mal eben stehen lassen, es war nicht mal knapp. Wer hätte gedacht, daß beim Befahren der kurvenreichen und gebirgichten B500 Rückspiegel dermaßen wichtig sind?
Ansonsten gehts aber. Die müssen morgen wieder zur Arbeit. Ich fahr inne Schweiz. Und das mit 110 bergauf. Sie fährt beinahe besser als in der Ebene. So dünn ist die Luft doch auch wieder nicht. Von der Straße aus kann ich runtergucken ins Rheintal und mich von der Sonne bescheinen lassen.
In Freudenstadt an der Ampel geht mir die Suzi aus. Ich dreh den Leerlauf hoch und wundere mich: mit dem neuen Standgas kann ich im 6. Gang 60 fahren. Nanu.
In Triberg gibt's Kaffe und Kuchen. Titisee und Schluchsee sind da, wo sie hingehören. Auf der Auffahrt südlich vom Schluchsee fängt die Suzi an zu spotzen. Ich geh vom Gas. Hm. Na gut, dann fahren wir halt nicht mit Vollgas weiter. Ich finde einen akzeptablen Arbeitspunkt bei 5000 rpm im vierten gang und krabbel da mit 80 hoch. Die Autos wundern sich, drängeln aber nicht.
In Höchenschwand finde ich ein Hotel. Zu Abend gibt es salziges Rührei. Der Wirt (ein eingewanderter Holländer) bittet mich, mein Mopped in seine Garage zu stellen. Hm.
Um 2000 Uhr lieg ich im Bett. Rückenschmerzen.
Freitag.
Frühstück, packen, bar bezahlen, wegfahren.
Haste gedacht. Ich sitz auf dem Bock und orgel - und der Bock läuft durch als hätt ich die Zündkerzen rausgedreht. Keine Kompression. Der Wirt steht dabei und guckt. Was will man in so einem Fall schon sagen.
Oder tun.
Ich roll vom Hof. Die Straße ist abschüssig nach links. Da gehts in die Walachei. Egal! 200m später ist die Suzi an und läuft fast normal - wenn man von dem hohen Standgas absieht.
Ich fahre den Hügel wieder hoch (am Hotel geb ich kurz Gas) und mach versuchsweise den Motor aus und wieder an. Er springt sofort an.
Zeit für ne Entscheidung. Offensichtlich ist was an der Maschine faul. Möglicherweise läßt sie mich beim Bergauffahren im Stich. Hm. Also keine Verschlechterung gegenüber vorher. Was erwarten Sie von einem 25jährigen schlecht gewarteten Japaner?
Ich fahre runter zur Schweizer Grenze. Sie läuft, wenn auch nicht ultraschnell, bremst ordentlich, lenkt ordentlich, und springt nach ein bißchen Orgeln immer an. Theoretisch könnt ich nach Hause fahren und von 800 km Schwarzwald etc. erzählen. Aber dafür müßt ich 3000 km Seealpen und Mittelmeer schenken.
Egal. Ich bin versichert.
An der Schweizer Grenze kaufe ich eine Alpenkarte und Benzin. Die Schweizer wollen meinen Ausweis sehen.
Die Straße von Dietikon nach Muri ist beschissen ausgeschildert. Die von Luzern nach Sarnen auch. Ich weiß, was mich erwartet: 5 Pässe, davon 4 über 2000m, auf einem Gebiet von 40x40 km. Herrlich.
Weit vor Innertkirchen holt mich Regen ein. Die Straße ist naß, und ich hab keine Kombi dabei. In Innertkirchen werfe ich einen Blick auf die Touri-Hotels mit den Kaffebars, einen auf die Tankuhr, und dann geht's ab auf den Sustenpaß (2224m). Es ist in Ordnung, wenns hier im Norden ein bißchen kalt ist - ich fahr ja Richtung Süden.
Nach 10 km fange ich auf der Maschine an zu schlottern. Es regnet, und es ist neblig. Mit offenem Visier frier ich, mit geschlossenem seh ich nichts. 2 Hemden und ein Pullover sind wohl nicht genug.
Nach 20 km halte ich an und nehme 2 ziemlich teure Kaffe und etwas Plätzchenartiges. Nicht wegen dem Kaffe, sondern um mich aufzuwärmen. Das Pärchen schräg gegenüber beschließt, mich zu ignorieren, und knutscht weiter.
Nach einer Stunde Aufenthalt versuche ich die Suzi wieder zu starten. Sie orgelt, springt aber nicht an. Was soll's - wir sind hier in den Bergen. 500m bergab gerollt, und die Sache ist erledigt.
Die letzten 10 km sind auch kalt und feucht - wie denn sonst? Die Suzi läuft noch (wird ja auch flüssigkeitsgekühlt). Ha - der erste Schnee! Hier, auf dem Parkplatz an der Paßhöhe.
Ich mache Pause, d.h. ich zieh im 3 Minuten eine Zigarette durch, spaziere einmal ums Mopped, suche fehlende Teile, lose Schrauben und auslaufende Flüssigkeiten, und fahre dann weiter. Das ist sehr gut, aber in einer Gruppe nicht durchzusetzen. Könnt mal wieder Öl nachfüllen.
Wenn du diese Tour überlebst, kriegst du auch mal einen richtigen Ölwechsel. Und Ölfilterwechsel. Bestimmt.
Der Tunnel der Paßhöhe ist unbeleuchtet, überall ragen zackige Felsen hervor. Ich stell die Festbeleuchtung an und fahre sinnig.
Auf der anderen Seite gehts runter ins Tal. Wenn der Motor verreckt, rollt man halt, und es wird mit jedem Meter wärmer. Schwer zu beschreiben ist die Landschaft: Links Gipfel, rechts Gipfel, die Straße windet sich mal zwischen Geröll entlang, mal klettert sie äußerst waghalsig an einer 80-Grad-Felswand herunter, dann in wechselnder Höhe an einer Talwand entlang. Man muß Kurven fahren, aufpassen, gelegentlich anhalten und gucken, bremsen, Gas geben, entgegenkommenden Moppedfahrern winken - hach wie sag ichs - Moppedfahren in den Alpen is einfach geil.
In Göschenen gibts was zu trinken für die Suzi, und'n Schluck Öl. Sie springt auch an - na prima, auf zum Gotthard (2108m).
Der Gotthard ist eigentlich langweilig - na ja, wie sag ichs: Auf der einen Seite gehts rauf, mit ein paar Kurven, und auf der anderen runter. Auch mit Kurven. Oben isses windig, und man kann weit schauen. Das ist alles nix besonderes. Das ist auf allen anderen Alpenpässen auch so. Ich hab nicht mal eine besondere Erinnerung an den Gotthard - bis auf die tolle Zahnradbahn, die gute, breit ausgebaute aber kurvenreiche Straße oder die weit auskragenden Brückenkurven auf der Südseite. Von unten sehen sie toll aus - von oben auch - wenn man drüberfährt, ist es aber eine Bergstraße wie jede andere auch. Es gibt auch keine lebensgefährlichen Kurven, Überholmanöver oder Straßenschäden. Nix, womit man zu Hause angeben könnte. Da ist nur Sonne, Regen, Wind, Nebel, Niesel, Asphalt, Leitplanken, Berge links, Berge rechts, Berge vorne, Berge hinten, Wiesen, Geröll, noch mehr Berge, Wolken, ein Etappenziel, ein Mopped und ich. Kein Zeitdruck, kein Kostendruck, kein Gesprächsthema, keiner mit dem man reden muß oder kann, ich kann halten und schauen wann ich will, weiter wann ich will, essen trinken schlafen nichtstun wann ich will...
Also: Moppedfahren auf dem Gotthard ist eine der reinsten Formen des Seins. Erklären Sie das mal jemand, der noch nicht mitm Mopped durch die Alpen gefahren ist.
In Airolo isses warm. Ich such mir eine Bank, park die Suzi und ziehe Jacke, Pullover, Handschuhe, Schuhe und Socken aus. Die Socken dampfen. Ich rieche dran.
Das sind nicht meine Füße, sondern Regenwasser.
Eigentlich würd ich auch gerne meine Lederhose... damit die Sonne an die Beine kann... Oh, hier kommt eine ältere Frau.
Langsam und bedächtig zuckelt sie ihres Weges, den Kopf leicht gesenkt, hat mich schon gesehen, geht aber nicht auf die andere Straßenseite. Sie zuckelt vorbei, ich fahr meine Füße etwas ein (es hätte auch so gepaßt, aber trotzdem), '' 'n giorno Signore'', ich bin überrascht und nicke nur.
Daß mich wildfremde Leute im Vorbeigehn auf der Straße grüßen, daran hab ich mich schon gewöhnt. Auch in Italien. Sogar in Hessen (da wohne ich). Aber ich finds trotzdem nett und faszinierend.
Die Socken sind trocken, die Schuhe noch nicht, ich räume zusammen und fahre ruckzuck über den Nufenen (2440m).
Oben isses wie üblich: massenweise Busse mit Rentnern, ein kleiner eiskalter See, nur heute kaum Aussicht auf die Berner Alpen: Wetterhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn, Mönch und Jungfrau. Tjaaaaa... jetzt sind das alles nur Namen. Oben auf dem Nufenen haben Sie den Wind dazu, richtig frische Luft, gesprächige Rentner, Himmel, Wolken, die sich an den Bergen reiben, weiiiiiiit unten das Tal, grünbraun kariert, und im Hintergrund leises Auspuffknistern und Ölplitschplatsch von der Zylinderkopfdichtung. Erklären Sie das mal jemand, der noch nicht mitm Mopped durch die Alpen gefahren ist.
Auf der anderen Seite gehts runter, Gletsch und den Rhonegletscher lassen wir rechts liegen und rauschen durchs Wallis Richtung St. Bernhard.
Es ist ungefähr 15 Jahre her, daß ich diese Strecke mit dem Fahrrad gefahren habe. Damals hatte ich auch noch ein Zelt und Lebensmittel dabei. Die Umstände waren anders:
Bergauf will man nicht anhalten aus Angst, nicht wieder loszukommen oder den vernünftigen Weg (runter halt) zu nehmen. Man schwitzt sich tot (außer es regnet), das Salz läuft in die Augen, die Brille verschmiert, die Sonnenbrandstellen an Ohren und Nase flattern in Fetzen davon, und ein Auto und Mopped nach dem nächsten rauscht vorbei. Bergab will man auch nicht anhalten - im Tal ist es wärmer, da gibts auch Campingplätze, und vielleicht geht anhalten ja auch gar nicht...
Rückblickend finde ich Radfahren in den Alpen doof. ich weiß wirklich nicht, warum ich mir das 3000km angetan habe. Komischerweise würd ichs wieder tun - wenn ich nicht Mopped fahren könnte...
Im Wallis herrscht wie üblich strammer Westwind. Ich weiß noch, daß mir das damals wirklich was ausgemacht hat: die Straße geht bergab, und man muß trotzdem treten. Stundenlang. Verbissen. Ohne Aufzuhören, sonst kommt man nie an.
Heute habe ich andere Sorgen: die haben anderes Geld hier, ich brauch n Bankomaten, was zu essen, und mein Hintern tut weh. Und heute abend brauch ich ein hochgelegenes Hotel.
2 Stadtdurchfahrten und 1 McDoof später ist es Abend. Die letzte Stadt vorm St. Bernhard hat viele Hotels, aber liegt in einer Ebene. Völlig flach. Geht nicht. Ich fahr den Paß an.
Ha! Ein Hotel-Zeichen am Straßenrand. Ich folge der kleinen Straße... nanu, sie geht in einen Feldweg über... ah, ein kleines Haus mit einer Kneipe. ''Guten Abend... ich such für eine Nacht ein Bett.''
Um mich herum verstummt das französische Geraune. Ach richtig, daran hatte ich gar nicht gedacht. Aber da spricht eine freundliche Frau: ''Wir haben hier kein Hotel, wir haben ein Schlaflager.'' Die H und K guttural, wie anlautende Ch, die A geschlossen, in schweizerdeutschem Singsang.
''Ein was?''
''Ein Schlaflager. Das ist... wie soll ich sagen...''
''... Wenns schlecht zu beschreiben ist, vielleicht kann ichs mir angucken?''
Sie spricht mit dem Wirt, der guckt mich und meinen Tankrucksack an, schnappt einen Schlüssel und stapft in den Keller. Beide Zimmer enthalten je 10 Betten der Art, die man bei uns auf dem Sperrmüll findet, und sonst nichts. Das Bad ist weiter hinten, auch nicht geheizt, aber es ist dunkel, und draußen ist es noch kälter.
Mein extrem eingerostetes Tour-Französisch beginnt sich langsam zu bewegen. Ich begreife, daß man zum Anheizen des Boilers einen Bouton drücken und einen Schalter umlegen muß, nicke, schlürfe oben noch einen Kaffe, erschachere ein Frühstück um 8 und liege um 2100 Uhr erschöpft, aber glücklich unter zwei dicken Decken im Bett.
Samstag.
Das Frühstück ist französisch: Weißbrot, Butter, ein winziger Klecks Marmelade, etwas Käse, Cafe creme. Alles zusammen kostet 10 Franken (dis francs). Das find ich teuer - aber was hätt ich woanders bezahlt???
Nach 200m bergab Rollen springt die Suzi an, und ich fahre übern Großen St. Bernhard, übern Kleinen St. Bernhard, durch das Val d'Isere und übern Col de Mt. Cenis. Die Vegetation wird mediterran, die Straßen italienisch.
Was soll ich übern Großen St. Bernhard sagen? Er ist fantastisch. Fahren sie ihn (bei der Gelegenheit die anderen gleich mit), Sie werden's nicht bereuen. Doch: Sie werden's bereuen, daß Sie das nicht schon längst, und zwar mindestens einmal im Jahr, gemacht haben.
Ich schlage mich durch nach Sestriere, denn die Straße ist auf der Karte als hübsch markiert. Es ist ja auch faszinierend, wie die ersten Bergkegel steil aus der Schwemmland-Ebene aufragen. Aber ich finde, es ist hier zuviel Stadtverkehr, und der ist lahm, heiß und staubig und erst recht kein Spaß, wenn die Suzi entweder zu hohen Leerlauf hat oder auszugehen droht.
Der Paß am Mt. Genevre ist fahrtechnisch eine nette Abwechslung - kulinarisch eine Katastrophe. Dies ist ein Wintersportgebiet, alles voller Hotels und Pisten, aber es ist kein Winter - ergo hat nur ein Restaurant mit Monopolpreisen auf.
In Briancon verpasse ich die Auffahrt zum Col d'Izoard. Mein Hintern tut weh, 40 km weit zum Col de Vars, welcher selbstverständlich routiniert abgesessen wird.
Kurz vor Barcelonette tanke ich nochmal. Das Mittelmeer ist zum Greifen nah - es bleibt nur noch ein Paß: der höchste asphaltierte Paß der Alpen, Col de Bonette (2802m). Die Zugspitze hat 2963m, und das ist beides verteufelt nah an 3000m dran.
Vor dem Col finde ich eine Gruppe Moppedfahrer, mit Gepäck und Frauen dabei. Sie sehen mich nicht, obwohl ich nur 3m entfernt von ihnen tanke: mein Mopped ist staubig und tropft. Daß es schlecht anspringt und die Berge nur am Arbeitspunkt, mit 5000rpm und 1/3 Gas, hochfährt, und wer weiß wie lange noch, können sie nicht sehen.
Sie kramen ihre Moppeds zusammen und fahren weiter durchs Tal. Moppedgruppen mit Gepäck und Frauen hab ich bisher nicht auf Pässen gesehen, nur eisenharte Jungs mit 100-kg-Gepäckrollen, die ungefähr so staubig waren wie ich.
Pah! Sterben müssen wir alle. Dreimal orgeln (die anderen gucken angewidert weg), nicht angesprungen. Das ist mir schon ein bißchen peinlich. Oder ist es gar ein böses Omen für den dicken Paß, den ich da vor mir habe? Angeschoben, ab durch die Mitte.
Oben am Paß ist, wie üblich, Nebelwetter und wenig Aussicht. Und auf der anderen Seite gehts runter.
Nizza kenn ich schon. Häuser, Hotels, Menschen, alles dicht an dicht. Normalerweise komm ich damit klar, aber heute nicht. Außerdem wirds spät. Also fahre ich nicht nach Nizza, sondern biege bei Plan-du-Vars nach Osten ab.
Sowas hab ich noch nicht erlebt. Eine kleine, extrem kurvenreiche Straße schlängelt sich durch die zahlreichen Bergfalten, rauf, runter, linksrum - hups - rechtsrum, und der Asphalt ist spitzenmäßig. In Rechtskurven kann ich 100m senkrecht unter mir den Talgrund sehen. Eigentlich ist diese Gegend unbewohnbar, aber irgendwelche Spinner haben diese Straße in die Felsen gesprengt.
Soldaten waren's. Alle paar 100m dräut hier und dort eine Artilleriestellung aus dem ersten Weltkrieg. Beton. Gut erhalten.
Krieg in den Bergen ist ne blöde Erfindung. Was red ich: Krieg ist ne blöde Erfindung.
So, jetzt ist es dämmerig und wird kühl. Keine Tanke seit 30 km. Kein Hotel seit 30km. Ich bereite mich im Geiste darauf vor, im Freien und hungrig zu schlafen, denn die Heuschober sind alle nahe an den Wohnhäusern. Währenddessen fahre ich aber so weit wie es eben geht, trotz dem Schmerz im Hintern.
Hoppla, was ist das. Eben noch mit 30 durch die Ortsmitte gerollert (die Polizei stand da), und jetzt hab ich Halluzinationen: ein großes Haus, 60er Jahre Stil, Blumen, Holzbalkons, ein Parkplatz aus Kies mit Gras und Blumen, freundlich und gemütlich klebt es da in den letzten Strahlen der Abendsonne am Hang. Kann doch gar nicht sein.
Ich fahr vors Haus und frage. Die nette Halluzination hinter dem Tresen hat noch ein Zimmer frei, die nette blonde Halluzination stellt mir unaufgefordert noch ein Karnickelbein hin, nachdem das erste nach 5 Minuten verschwunden ist, das Holzgeländer vom Balkon fühlt sich verdammt echt an, und erst in der relativ kurzen, gefederten Bett-Halluzination fällt mir auf: Das muß echt sein, wer halluziniert schon Rückenschmerzen.
Sonntag.
Ich habe meinen Plan übertroffen und eine Strecke, die ich in vier Tagen fahren wollte, in dreien gemacht. Nichtsdestotrotz gefällt mir mein Plan gut, deshalb werde ich heute die langweilige Tour durch die Po-Ebene machen und mir die anderen Pässe in den Seealpen für nächstes Jahr aufheben.
Die Karte sagt, ich kann noch etwas nach Osten fahren, dann nach Süden Richtung Nizza, und dann über den Col du Tende zwischen Turin und Mailand durch wieder in die Alpen. Das ist verdammt weit, und heute abend muß ich wieder in den Bergen sein: wie soll ich die Karre denn sonst anwerfen?
Nach dem Frühstück schiebe ich die Karre durch den Kies vom Parkplatz. Die Polizei guckt ungnädig, als ich mit Licht, aber ohne Motor durchs Dorf rolle. Als ich 2 Minuten später hochfahre, diesmal mit Motor an, gucken sie nicht mehr.
Richtung Osten und Richtung Süden war nur eine grobe Schätzung. Die Straße hat alle möglichen Richtungen, nur die, die ich fahren will, eigentlich nicht. Das liegt daran, daß sie aus wahnsinnig vielen engen Kurven besteht, mit nagelneuem Asphalt. Schade, daß es kurz geregnet hat, jetzt ist sie naß, und ich muß langsam fahren.
Sie führt u.a. einen 70-Grad-Hang in engen Schleifen hoch, quer durch ein Dorf, daß auf einem Buckel kauert, und oben wieder raus und weiter... ist nett hier.
Ich finde die Straße zum Col du Tende und reihe mich in den Stau ein. Zum Dranvorbeifahren ist die Straße zu eng. Die Suzi läuft heiß. Ich tröste mich, daß sie in der Po-Ebene wieder reichlich Kühlluft bekommen wird, kaue auf meinem Halstuch herum und frage mich, wieso die alle ausgerechnet heute hier langfahren müssen... ach so, es ist Sonntag.
In Italien vermeide ich die Autobahn. Straße reiht sich an Straße, Ortschaft an Ortschaft, und alle Tanken haben zu. Schließlich zücke ich seufzend einen Schein und vertraue ihn einem der Automaten an. Mist! Es paßt nicht alles Benzin, das ich bezahlt hab, in den Tank.
Irgendwo zwischen Asti und Novara liegt links ein geöffnetes Restaurant. An einer Durchgangsstraße. Zwischen zwei Tankstellen. Draußen spielen Kinder, drinnen sehen die Erwachsenen fern und putzen den Boden. Es ist 1500 Uhr.
Ich bekomme eine Karte und kann sie großenteils verstehen. Es gibt totes Schwein mit Kartoffeln und Salat, danach noch Dessert und Kaffe. Nach der Hälfte des Schweins stehe ich auf, werfe nach 30sec Orgeln die Suzi an und lasse sie 2 Minuten bei erhöhter Drehzahl laufen. Ich will ja wieder wegkommen.
Das Essen war gut, und jetzt fahren wir weiter. Bereits nach 2 Minuten Orgeln läuft der Bock, ich springe drauf und bin weg.
Endlich tauchen am Horizont die Berge auf. Ich wähle die Straße, die östlich am Lago Maggiore vorbeiführt. Das war ein Fehler. Stau auf enger Straße. Nach dreimal Vollgas - paar Autos überholen - Bremsen weiß ich, daß das den Motor umbringt, und lasse es. Im Zuckeltrab geht es weiter. Über Lugano komme ich zum Comer See.
Die Schweizer wollen meinen Perso sehen. Schon wieder. Auf dem Bild habe ich ordentliche Haare und ein Boss-Jacket und Schlips an. Ich erwarte keine Probleme, und es gibt auch keine.
Daß das hier die Schweiz ist, hatte ich völlig übersehen. Na, ein paar Franken hatte ich noch. In Lugano fahre ich zweimal im Kreis und finde nicht raus, schließlich nehme ich aus Verzweiflung die Autobahn.
Der Comer See liegt sehr schön: tiefblau schlängelt er sich zwischen den Bergen hin. Dafür habe ich aber keinen Blick, schließlich brauche ich ein Hotel. An der Straße gibt es welche, aber sie haben keine Rampe zum Mopped-Starten.
Schließlich finde ich doch noch eins. Es liegt ganz oben am Berg.
Das Abendessen gibt es auf der Terrasse, beim Pool. Der Inhaber ist auch Koch und kocht erlesene Sachen, italienisch, aber mit dem richtigen Hauch von Öl, Essig und Knoblauch. Das ist lecker. Der Blick über den See ist atemberaubend. Der Hang gegenüber wird immer dunkler und wechselt dabei von baumgrün über geheimnisvollgrün, samtigblaugrün, mystischgrünblau und midnight blue zu schwarz.
Das Pärchen am Nebentisch schwätzt schwäbisch. Wie erwartet, langweilt sich das Weibchen irgendwann. Ich kommentiere laut eine Äußerung des Männchens. Sie dreht sich um. Wir kommen ins Gespräch.
Das flache Ding mit zwei Zylindern und Sitzbrötchen gehört den beiden. Jedes Jahr geben sie ihre Kinder für eine Woche bei den Großeltern ab, fahren hierher und lassen sich's gutgehen. Sie sagen, ich soll meine Suzi von der Straße holen und in die Tiefgarage stellen. Ich sage, es gibt ein Problem. Sie sagen, kein Problem, sie helfen mir notfalls wieder raufschieben. Ich geh sie holen. Die Auffahrt ist so steil, daß ich beide Bremsen benutzen muß.
Das Männchen sagt es nicht, aber es denkt: Mit so 'ner Karre durch die Alpen fahren ist doch bekloppt. Da hat er recht. Ich guck mir den Hintern seiner Sozia an, denke an das Sitzbrötchen und denke dasselbe. Um Mitternacht liege ich im Bett.
Montag.
Ich frühstücke auf der Terrasse. Ich habe den richtigen Moment abgepaßt: die Luft ist nicht mehr zu kühl und noch nicht stickig. Dann geh ich packen, bezahlen und Mopped starten.
Ich hätte nie gedacht, daß Strom für 5 Minuten Orgeln in meiner Batterie steckt. Es ist trotzdem eine Qual, der Anlasser ist für sowas nicht gebaut.
Als sie endlich an ist, winke ich noch kurz (sie sind gerade zum Frühstück erschienen), dann bin ich weg. Zwischen den Bergen ist es noch kühl. Ohne Federlesen sause ich über den Splügen, den Albula und den Bernina. Die andern Pässe in der Gegend kenne ich schon, vom Fahrradfahren.
Der Albula ist besonders interessant, weil er eine schlechte Straße hat. Das Hinterrad hopst und zappelt. Zum Driften reicht die Motorleistung trotzdem nicht.
Der Paß von Aprica ist als nächster dran. Ich weiß noch, wie ich mich vor 15 Jahren hier hochgeschleppt hab, mit 15 kg Gepäck durch diesen Glutofen gestrampelt bin. Daran denke ich, als ich auf der Paßhöhe einen Kaffe nehme und den Gavia in Angriff.
Der Gavia (2621m) hat eine schöne Aussicht, und sie beginnt direkt am Fahrbahnrand. Keine störenden Leitplanken. Er schlängelt sich einen steilen Rücken hoch. Ich überhole und werde überholt. Leider ist er inzwischen asphaltiert, sonst wär das richtig interessant.
Als ich das letzte mal hier war, standen da nur drei K-Modelle. Diesmal muß ich lachen: eine Maschine neben der anderen, alle mindestens 600 Kubik und maximal werkstattgeprüfte 40000 km, blinken in der Sonne. Die Haare der Fahrer leuchten in allen Schattierungen von grau bis weiß: Rentner. Rentner von überall aus Deutschland! Sie setzen sich und ggf. ihre besseren Hälften im Sommer auf die Böcke und brettern durch die Alpen. Sehr vernünftig.
Habe ich ein Alte-Leute-Hobby?
Vielleicht, aber es macht mir trotzdem Spaß.
Bergab bin ich, wie erwartet, der Schnellste.
Überall sind Schilder an den Hotels und Pensionen: Bikers Welcome. Ja logisch sind die laut und machen Arbeit. Aber sie sind zuverlässig da, zuverlässig weg, haben keine Hunde und keine Kinder dabei, bringen ihre Drogen nicht mit, sondern trinken sie abends am Tisch und bezahlen die Rechnung, bevor sie ihre Moppeds aus der Garage holen dürfen.
In Bormio, kurz vorm Stilfser Joch (2757m), wird Benzin und Öl nachgefüllt. Neben mir steht eine Gruppe Öschis in den Dreißigern. Sie waren vor mir da, aber ich bin vor ihnen wieder weg. Was die alles zu reden haben. Wenn ich jemanden hätte, der meine Sorgen hören wollte, wie lange würd ich da reden?
Sie ärgern sich und rasen schon bald an mir vorbei. Ich schaue auf den Drehzahlmesser, versuche zu folgen und lasse es bald sein, da der Motor anfängt, wie in Agonie zu zucken. Ich sehe sie erst kurz vor der Paßhöhe: sie stehen auf einem Parkplatz und ratschen. Ich bin eher oben.
ich genehmige mir einen Kaffe an diesem luftigen Plätzchen, genieße die Aussicht und denke an die weite Strecke über Meran nach Bozen.
Auf der anderen Seite geht's runter...
Unten im Tal treffe ich an einer Baustellenampel ein völlig vollgepacktes Mopped mit, o Wunder, einem deutschen Rentner drauf. Ich hatte sie nur kurz gesehen, aber die Doppelnocken, die charakteristischen Tüten und den charakteristischen Sound gleich erkannt. Seine glänzt mehr und leckt weniger als meine. Er hat sie schon lange.
Ich fahre ihm davon. Das ist nicht schwer.
Die Straße ist voller Laster, 60 km weit. Überall Ortschaften und Polizei. Später, auf der Autobahn, schreit mich meine Suzi an, sie will auf keinen Fall schneller als 110 fahren. Na gut.
Bei Bozen fahr ich raus und auf einen der nahen Hügel. Wir wollen beide ausruhen. Wir habens uns nämlich verdient: sie ist praktisch waidwund und kann jeden Augenblick auseinanderfallen, und ist trotzdem wunderbar gefahren. Mal wieder 5 Pässe heute.
Irgendwo biege ich von der Landstraße ab und fahre auf einen Hügel mit Gras und Obstbäumen. Ich parke die Suzi so, daß sie das Gras unter sich nicht anzünden kann, und leg mich auf den Rücken.
Aua.
Ich trink die Flasche leer, guck sie nochmal an und stopfe sie in den Tankrucksack. In der Folge gehen meine Rückenschmerzen auf nahe 0 zurück.
Am Feldweg und in den Bäumen stehen und hängen bunte Gebilde aus Plastik, in einfachen und daher akzeptablen Formen, bis zu 5m groß. Ich nehme an, am Ende von dem Feldweg ist ein Haus, wo abenteuerlustige Großstädter Plastikdinge formen und anmalen...
Ach ja, Abenteuer. Die Dolomiten warten. Ich rappel mich auf, rolle den Hügel hinab, werfe dabei die Suzi an und fahre durch Bozen.
Wider Erwarten finde ich die Straße zum Karerpaß sofort. Die Schilder sind grün und ungefähr so groß wie meine Hand. Es dämmert.
Der Karerpaß ist nicht hoch, aber Bozen liegt tief. Es dauert und dauert... ich brauch ein Hotel, und die Suzi braucht Sprit. Die Hotels an der Straße haben zu. In einer Ortschaft finde ich aber eins. Zu Abend gibt es eine außergewöhnlich große Platte Brot, Wurst und Käse, dazu eine Flasche Wasser. Der Padrone (wir sind in Südtirol) guckt erstaunt, als er sieht, daß ich die Platte ratzekahl leergefressen hab, und bietet mir mehr an. Nein Danke.
Am Nebentisch berät eine Gruppe Rentner, wohin sie nächstes Jahr in Urlaub fahren. Es scheint ein zufällig zusammengewürfelter Haufen zu sein, der das bereits seit Jahrzehnten so macht. Das Problem ist lösbar.
Ich rauche draußen noch eine und gucke dabei nach Westen. Dort liegen ganz furchtbar viele Straßen und km und Berge, die ich gefahren und gesehen habe. Leider ist gerad keiner da, der mich beneidet.
Dann gucke ich nach Osten. Die Zinnen der Sella-Gruppe glühen in den letzten Strahlen der Sonne. Für einen Augenblick bin ich unsicher: leuchten sie von innen heraus, oder wirken sie so hell, weil das Tal um mich so dunkel ist?
Felsen leuchten nicht von innen heraus. Aber es sieht trotzdem toll aus. Denke ich und falle ins Bett.
Dienstag.
Am nächsten Morgen regnets. Ich schiebe die Suzi an und fahre relativ lustlos nördlich um die Sella-Gruppe herum. Sie ist auch bei Regen imposant, aber Sonne wär mir lieber. In Corvara mache ich Pause und lese die Karte.
In Richtung Osten gibts nur noch die Großglocknerstraße. Da war ich aber erst vor 8 Jahren, also ist es noch nicht soweit.
In Richtung Westen gibt es Jaufenpaß und Timmelsjoch. Da war ich noch nie, und gescheit hoch sind sie auch.
Na schön. Also dampfe ich über Bruneck und Brixen Richtung Brenner - na das steht überall auf den Schildern. Natürlich kann ich die ganze Zeit nur 100 km/h fahren, sonst streikt das Maschinchen. In Sterzig gehts links ab. Der Jaufenpaß macht richtig Spaß bis ca. 1500m Höhe, da beginnen die Wolken.
Okay Wolken haben den Ehrgeiz undurchsichtig zu sein. Sie lassen zwar Licht durch, aber sie sind opak, d.h. sie streuen es. Irgendwann fahre ich nur noch 30, damit ich auf Sichtweite anhalten kann. Das ist zwar zu knapp für entgegenkommende Fahrzeuge, aber die sind auch ordentlich langsam, und die Straße ist breit genug.
Ich mach's kurz. An der Paßhöhe war eine steife Brise, und das Häuschen war natürlich zu. Eine Gruppe von 20 HD-Fahrern bemerkte ich 10 sec vor ihrem Eintreffen am Geräusch, 3 sec vorm Anhalten konnte ich die ersten sehen, 2 sec vorm Anhalten konnte ich die Maschinen identifizieren. Der Nebel schluckt auch Geräusche. Sie guckten kurz, sahen daß es nichts zu sehen gab, und dann schluckte der Nebel auch die Gruppe.
Sowas passiert, dachte ich, und rollerte langsam auf der anderen Seite runterwärts. Ab ca. 1500m konnte ich wieder schneller fahren. Das mußte ich auch, denn ich mußte zu einer Tanke, bevor der Tank alle war.
Die Tanke in San Leonardo war zu. Die Restaurants waren bereits geschlossen. Alles war blöd, und ich wollte weg und fuhr also aufs Timmelsjoch.
Ab 1500m fuhr ich 30. Im Tunnel auf der Paßhöhe konnte ich 2m Straße vor dem Vorderrad sehen. Ich machte das Fernlicht an und hoffte, so auf 4m gesehen werden zu können.
Oben parkte ich und ging ich 5m von meinem Moped weg, auf einem Feldweg. Als ich mich herumdrehte, war es weg. Unsichtbar. Verschwunden. Hier kann man pro Stunde 60 Autos ausrauben und die Felsen runterschieben, und keiner merkts, dachte ich, während ich tat, was ich tun mußte, und dann den Weg zurückging. Hoffentlich hab ich keine Gabelung übersehen, dachte ich, so langsam müßte sie doch auftauchen...
... die Sekunden dehnten sich zu Monaten...
... und dann wär ich beinahe über meine Suzi gefallen, so plötzlich tauchte sie auf.
Auf der anderen Seite hörte der Nebel bald auf, so nach den ersten 9 Kehren. Eine Mautstelle.
''Tag'', sagte ich. ''Grüß Gott'', sagte dert Österreicher im Kabäuschen, ''das macht 9 Euro.'' Puh, dachte ich, für das Geld hätt ich auf seinen Gruß gerne verzichtet. Was für'n teures Land.
Bis jetzt hatte ich noch keinen Fuß ins Land der Abzocker gesetzt. Hm. Sollte ich zurückfahren? Nee, ich brauchte Sprit. Aber ich hatte einen Plan.
Im Ötztal spielte ich mit den Einheimischen das beliebte Spielchen ''Ich wittere hinter jeder Kurve eine Radarfalle, und hier ist Überholverbot, Du Arsch.'' Normalerweise spielen das die Abzocker mit ihren Touristen.
Anschließend gab's Mittag in einer nicht-österreichischen Fast-Food-Kette, und ich kam nach Imst. Hm. Imst. Da war ich schonmal. Von da kann man übers Hahntennjoch nach Deutschland fahren. Mautfrei. Mit ganz vielen Kurven auf der anderen Seite.
Das Hahntennjoch war der letzte Paß auf dieser Tour.
Über Reutte (tanken) und Füssen verirrte ich mich gegen Abend nach Kaufbeuren. Übernachtung. Komisch: Mein Hotel ist praktisch leer, die anderen 5, wo ich vorher gefragt hatte, waren praktisch voll.
Am nächsten Tag schiebe ich die Suzi an, 300m weit, und erhole mich bis Heidenheim davon. In Schwäbisch Gmünd fahr ich zum Schwesternwohnheim - hm, es ist kleiner geworden, seit ich hier das letzte Mal gewohnt hab. Zwischen Papierfetzen, Mülltonnen und gierigen Blicken will gar keine Romantik aufkommen, aber jetzt, wo ich dies schreibe, denke ich: Mensch, nochma so jung sein...
Die haben hier eine gute Erfindung: die B19, sie trägt einen zügig fort. Ich fahre ein Stück durchs Jagsttal, aber es ist nichts zum Moppedfahren: Zu wenig Berge, zu wenig Kurven, zu viele Rentner.
Ich biege ab und brenne in Rekordzeit über den Bauland (Mittag) und den Odenwald nach Hause.
Dienstag drauf.
Ich geh in die Garage und starte mein Mopped. Nach 4 Minuten Orgeln laß ichs sein.
Einen Monat später.
Ein Arzt erzählt mir, daß sein Auto Ventile hat. Das ist nicht überraschend, aber gibt mir eine Idee.
Zwei Tage später.
Meine Suzi hat kein Ventilspiel auf den Auslaßventilen. Die sind gewissermaßen immer offen. Eigentlich müßten sie längst verbrannt sein - aber Suzis brennen nicht so schnell.
Die dünnsten erhältlichen Ventilspiel-Plättchen (aka Shims) (aka heißt also-known-as, auch-bekannt-als) sind 2.15mm (Saziki) bzw. 2.05mm (Kawa) dick. Ich weiß das. Sie sind nämlich schon drin.
Eine Woche später.
Ein Lohnfertiger im nächsten Dorf schleift meine Ersatzshims auf 1,7 bzw. 1,3mm runter. Schön langsam, damit das gehärtete Material nicht ausglüht. Das kostet 20 Euro, beschert mir 0,1mm Ventilspiel (genauer: 1 Coladosenwanddicke) und hält perverserweise seitdem 12000 km.
5 Tage später.
Meine Suzi bekommt einen Ölwechsel. Ich spüle mit 2 Liter brandneuem NoName-Öl, schmeiße es anschließend weg und kippe die restlichen 3 Liter hinein. Das wird für 500 km reichen. Den störenden Ölfilter nehm ich auch raus.
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