DOKUMENT

Unseren Freunden zum TAG der ARBEIT 1999

 

José Antonio

der verheimlichte Revolutionär

 

Vor sechzig Jahren ging in Spanien ein erbittert und auch grausam geführter Bürgerkrieg zu Ende, der eigentlich Folge innerspanischer Fehlentwicklungen war und dennoch vom ersten Augenblick an in das Spannungsfeld der internationalen Politik geriet. So wird er von vielen noch heute als "Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg" bezeichnet, eine vordergründige Verknüpfung, die nicht gerade zum besseren Verständnis der dortigen Geschehnisse und der mit ihnen verbundenen Personen und Schicksale beiträgt.

Inzwischen liegt jedoch genügend dokumentarische Literatur vor, um jenen, die unvoreingenommen Einblick suchen, den Zugang zu ermöglichen.

Zu den meistzitierten und dennoch sicherlich am wenigsten bekannten Figuren der Vorkriegszeit gehörte in den Jahrzehnten nach dem Krieg und zum Teil auch noch heute der Jurist, Abgeordneter und Parteigründer José Antonio Primo de Rivera. Für seine spanischen Gegner und für die Propaganda der im Zweiten Weltkrieg siegreichen Regime war der im November 1936 erschossene Politiker schlicht ein "Faschistenführer" - und sein Denken und Tun damit im vorhinein indiskutabel.

Eine bemerkenswerte Tatsache ist aber, daß dieses Denken und Tun auch im Spanien des Staatschefs Franco amtlich ungern und selten erwähnt oder gar besprochen wurde, obwohl andererseits das Andenken des von allen schlicht José Antonio genannten Gründers der Falange von Amts wegen gleich einer Ikone verehrt wurde und selbst die kleinsten Städten eine José-Antonio-Straße aufwiesen.

Über die wahre Natur seines politischen Standortes sagt die Tatsache einiges aus, daß José Antonio, der "Faschist" in den Augen der Linken, von den rechten Parteien in Spanien als "Bolschewik" beschimpft wurde. In der Achtung und gar im Lob seiner Persönlichkeit und seines Charakters herrscht jedoch weithin erstaunliche Einigkeit: seine ehemaligen Freunde, Anhänger und Mitarbeiter, von Francos Freund und Schwager Serrano Suñer bis zu Francos Gegner Ridruejo, bedauern den Tod José Antonios als ein Verlust für ganz Spanien ebenso (!) wie seine Kritiker bzw. seine politischen Gegner, vom Historiker Madariaga und dem Philosophen Unamuno über den Anarchisten Pestaña bis zum Sozialisten und republikanischen Minister Prieto.

Die republikanische Schriftstellerin Rosa Chacel, nach dem Bürgerkrieg ins amerikanische Exil gegangen, vertraute ihrem Tagebuch (Diario) an: "Gestern, als ich an den Büchertischen des Cabildo vorüberging, sah ich einige spanische Bücher - des heutigen Spaniens... Und ich kaufte ausgerechnet José Antonios Gesammelte Werke. Ich wollte sie schon seit langem lesen, und gestern war es wirklich ungünstig, denn ich mußte Mujeres Ejemplares zu Ende lesen; aber ich kam nach Hause und verschlang in einem Zug dreihundert Seiten. Es ist unglaublich.

Zwei Dinge sind unglaublich; das eine, daß mir in Spanien das alles entgehen konnte, und das andere, daß Spanien und die Welt es geschafft haben, ihn so gut zu verstecken. Denn mich wundert es nicht, daß sie ihn umgebracht haben: er war dafür geschaffen, aber daß man nach seinem Tod seinen Fall verschwiegen hat..."


Dreihundert Seiten können und wollen wir hier nicht ausbreiten, aber einige Zeilen seien doch zum Einlesen geboten:


 

"Das Phänomen des Bankrotts des Kapitalismus ist universell (...) Wenn wir vom Kapitalismus reden, reden wir nicht vom Eigentum. Das Privateigentum ist das Gegenteil vom Kapitalismus; Eigentum ist die unmittelbare Projektion des Menschen auf seine Sachen, eine elementare menschliche Eigenschaft. Der Kapitalismus hat nach und nach diese Eigenschaft des Menschen in eine Eigenschaft des Kapitals verwandelt, eines technischen Werkzeugs wirtschaftlicher Herrschaft.

"Durch die unausgewogene und schreckliche Konkurrenz des großen Kapitals gegen das kleine Eigentum hat der Kapitalismus nach und nach das Handwerk, das Gewerbe, die kleine Landwirtschaft vernichtet: er hat dies alles in die Hand der großen Trusts, der großen Bankengruppen gelegt - und tut es immer mehr und mehr. Der Kapitalismus führt schließlich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Unternehmen und die Arbeiter, in die beängstigende, menschenunwürdige Lage des Menschen, der seiner Eigenart und des gesamten Inhalts seiner Existenz beraubt wird. Und ich möchte sehr gerne, das diese Worte im Bewußtsein aller gut eingeprägt blieben: Es ist höchst an der Zeit, sich nicht dem Irrtum auszuliefern, die Arbeiterparteien als Anti-Unternehmerparteien bzw. die Unternehmer-Vereine als Gegner, ja als Feinde im Kampfe gegen die Arbeiter zu betrachten. Die Arbeiter, die Unternehmer, die Techniker, die Organisatoren bilden das Gesamtgerüst der Produktion, und andererseits gibt es ein kapitalistisches System, das mittels teurer Kredite und mit den mißbräuchlichen Privilegien der Aktien- und Obligationeninhaber sich, ohne zu arbeiten, den besten Teil der Produktion aneignet und zugleich Arbeitgeber, Unternehmer, Organisatoren und Arbeiter hinabdrückt und verarmt.

Das kapitalistische Eigentum ist kalt und unerbittlich; es kassiert bestenfalls keine Rente, aber es überläßt die Unterworfenen ihrem Schicksal. Und was die Sklaven betrifft, so waren sie ein Eigentumselement in der Habe ihrer Herren; der Herr mußte dafür sorgen, daß der Sklave nicht wegstarb, denn der Sklave kostete ihm sein Geld wie eine Maschine oder wie ein Pferd; wenn aber jetzt ein Arbeiter stirbt, wissen die großen Herren der kapitalistischen Industrie sehr wohl, daß hunderttausend Hungerleider vor dem Tor warten, um dessen Platz einzunehmen.

Eine teils düstere, teils anziehende Figur, Karl Marx, hat dieses ganze Schauspiel der kapitalistischen Krise, das wir jetzt erleben, vorausgesagt. Jetzt reden alle davon, daß sie Marxisten bzw. Anti-Marxisten seien. Ich frage euch mit der Strenge einer Seelenprüfung, die ich in meine Worte lege: Was heißt es, Anti-Marxist zu sein? Heißt es, daß man nicht mag, Marxens Voraussagen eintreffen zu sehen? Dann sind wir alle einer Meinung. Oder heißt es, daß Marx in seinen Voraussagen irrte? Dann irren jene, die ihm diesen Irrtum unterstellen!

Marxens Voraussagen erfüllen sich mehr oder weniger schnell, aber unaufhaltsam. Es läuft hin zur Konzentration des Kapitals, hin zur Proletarisierung der Massen, und es geht schließlich auf die soziale Revolution zu, die eine überaus harte Periode kommunistischer Diktatur beinhalten wird. Und diese kommunistische Diktatur muß uns - Europäern, Abendländern, Christen - erschrecken, denn sie ist wahrhaftig die furchtbare Verneinung des Menschen, die Versetzung des Menschen in eine grenzenlose, unförmige Masse, wo die Individualität verlorengeht, wo die körperliche Hülle jeder marxistischen Seele sich auflöst. Wir sind also Anti-Marxisten, weil uns - wie jedem Abendländer, jedem Christen, jedem Europäer, ob Arbeitgeber oder Proletarier - die Aussicht erschreckt, wie ein niederes Tier in einem Ameisenhaufen zu existieren. Und das erschreckt uns, eben weil wir im Kapitalismus etwas davon erfahren haben; auch der Kapitalismus ist international und materialistisch. Deshalb wollen wir weder das eine noch das andere; deswegen wollen wir verhindern, daß sich die Prophezeiungen des Karl Marx erfüllen: weil wir an seine Aussage glauben. Aber wir wollen es mit Entschlossenheit, nicht wie diese antimarxistischen Parteien, die umherziehen im Glauben, daß die unerbittliche Erfüllung gewisser wirtschaftlicher und historischer Gesetze gemildert wird, wenn man den Arbeitern nette Worte sagt und deren Kindern gestrickte Mäntelchen schickt.

Wenn man den ernstlichen Willen besitzt, die von der marxistischen Voraussage angekündigten Ergebnisse zu verhindern, dann gibt es keinen anderen Weg, als das Unding abzuschaffen, dessen Wirken unabwendbar jene Folgen zeitigt: man muß das kapitalistische Unding abschaffen, das in die soziale Revolution, in die russische Diktatur führt. Abschaffen - aber wodurch ersetzen?

Morgen, übermorgen und in hundert Jahren werden uns die Idioten weiterhin sagen: ihr wollt das Unding abschaffen, um es durch einen anderen aufsaugenden Staat zu ersetzen, der die Individualität vernichtet. Würden wir, um diesen Zweck zu erreichen, uns die Arbeit machen, die letzten Konsequenzen des Kapitalismus und des Marxismus bis hin zur Vernichtung des Menschen zu bekämpfen? Wenn wir soweit gekommen sind, und wenn wir dies verhindern wollen, so müssen wir den Aufbau einer neuen Ordnung als Abendländer, als Spanier und als Christen beim Menschen anfangen, beim Individuum, und dann durch seine organischen Einheiten weiterziehen, und so werden wir vom Menschen zur Familie, von der Familie zur Gemeinde, und andererseits zur Gewerkschaft kommen, und zuletzt mit dem Staat abschließen, der die Harmonie des Gesamten verkörpern wird. Auf diese Weise, mit dieser politisch-historisch-sittlichen Auffassung, mit der wir die Welt betrachten, schließen wir die ökonomische Lösung ein; wir werden den wirtschaftlichen Apparat des kapitalistischen Eigentums abbauen, der alle Gewinne aufsaugt, um ihn durch das individuelle Eigentum, das familiäre Eigentum, das Eigentum der Gemeinde und das gewerkschaftliche Eigentum zu ersetzen."

(Aus der Rede im Cine Madrid vom 19. März 1935)


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