Gebrauchsanleitung - Hallo, hier bin ICH
Die Bemühung, sich aus ganzem Herzen zu konzentrieren,
ist in sich selbst schon den Weg bewältigen.
Dogen
Die Praxis des absichtslosen Sitzen (Zazen) ist die Rückkehr zu uns selber. Nichts Phantastisches, das zu erlangen wäre, nur das "Wiederentdecken" des Alltags-Geistes. Oder wie der chinesische Zen-Meister Baso einmal formulierte: "Gewöhnlicher Geist ist selber schon Erleuchtung". Einfach nur Sitzen.
Setzen Sie sich auf das vordere Drittel eines etwas härteren Kissens, das Zafu. Kreuzen Sie die Beine. Wenn es Ihnen möglich ist, legen Sie den linken Fuß auf den Schenkel des rechten Beines, - der halbe Lotussitz. Mit viel Übung können Sie vielleicht auch zusätzlich den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel legen, - der volle Lotussitz. Nun können Sie leicht das Becken etwas nach vorne kippen, so dass beide Knie auf dem Boden zu liegen kommen. Der Oberkörper hat sich nun ganz von selbst gerade aufgerichtet, die Rückenmuskulatur kann sich entspannen. Schieben Sie das Kinn etwas nach hinten und richten Sie den Blick entspannt und ohne etwas zu fixieren etwa einen Meter vor sich auf den Boden. Die Nase befindet sich nun in einer Senkrechten mit dem Nabel, die Ohren in einer Senkrechten mit den Schultern. Versuchen Sie möglichst gerade zu sitzen, zwingen Sie sich jedoch nicht in eine angestrengte Position, mit der Zeit wird ihnen dies immer leichter fallen.
Legen Sie nun die linke Hand in die rechte, so dass die Finger der rechten Hand die der linken Hand tragen und sich beide Daumenspitzen ganz leicht berühren. Die Unterarme ruhen auf den Beinen, so dass die Hände ein nach vorne offenes Oval in Höhe des Bauchnabels bilden.
Die Lippen sind geschlossen, die Zunge liegt am oberen Gaumenrand an. Atmen Sie durch die Nase tief, aber entspannt ein und lassen Sie die Luft langsam wieder durch die Nase entweichen. Wenn Sie so den "Körpergeist" in Einklang gebracht haben, folgen Sie dem Atem 20 Minuten lang, später 30 oder 40 Minuten, wie es Ihnen möglich ist. Wenn die Beine oder der Rücken zu sehr schmerzen, verändern Sie vorsichtig ihre Position. Zwingen Sie ihren Körper nicht.
Wenn Sie sich vor die weiße Wand setzen - die Beine verschränkt, die Hände vor dem Bauch zusammengelegt und den Blick gesenkt - werden sie spüren, dass sich der Körper entspannt, zur Ruhe kommt. Je mehr der Körper zu Ruhe kommt, desto mehr Gedanken drängen sich auf: "Hallo, ICH bin es." Versuchen Sie nicht, sich an die Gedanken zu hängen, die auftauchen werden; lassen Sie sie nach einem kurzen Gruß einfach wieder ziehen. Mit zunehmender Übung kommt Ihr Körper immer leichter zur Ruhe: Die Atmung und der Herzschlag werden langsamer, die Gehirnaktivität nimmt ab. Ihr Körper geht in das Schlafstadium I über, aber Sie sind hellwach und konzentriert. Sie werden merken, dass die trennende Haut zwischen "Drinnen" und "Draußen" löchrig wird. Außen wird Innen. Innen wir Außen. Form ist Leerheit, Leerheit ist Form. "Wo bist du nun, du selbstbewußtes Ich?"
Folgen Sie anfangs einfach nur hellwach dem Atem. Präsent im Hier und Jetzt. Mehr nicht. Absichtsloses Sitzen. Die Gedanken kommen und gehen. Laufen Sie nicht vor der Stille in sich davon. Sie hören, ohne hinzuhören, Sie sehen, ohne hinzusehen. Sie nehmen wahr, was ist. Es singt eine Amsel. Der Regen tropft auf das Dach. Der Kohlenofen bollert. So ist es. Keine Wertung. Hellwaches Bewußtsein.
Grüne Berge vorn und hinten,
Weiße Wolken Ost und West.
Selbst wenn ich einen Mitwanderer träfe,
Nichts Neues könnte ich ihm sagen.
Daigu Ryokan
Nehmen Sie Ihre "Erfahrungen" aus der Meditation mit ins tägliche Leben. Lassen Sie ihr ganzes Leben zur Übung werden. Die Praxis des Zazen ist nicht abgetrennt vom Alltags-Leben. Versuchen Sie vollständig präsent zu sein beim Spülen, beim Abtrocknen, beim Putzen, beim Autowaschen, beim Reparieren der Waschmaschine, beim Spielen mit den Kindern, beim Tee-Trinken. Vollständig präsent bei allem, was Sie tun.
©
Arndt Büssing (2002)