Der Träger der Erbinformation ist die DNS (Desoxyribonucleinsäure), im Englischen DNA (desoxyribonucleic acid). Dies ist ein langes Kettenmolekül, dessen Abschnitte (Nucleotide) wie Buchstaben eines Alphabets zu dreibuchstabigen Wörtern (Tripletts) kombiniert sind. Jedes Triplett steht für eine Aminosäure. Aminosäuren stellen die Grundbausteine der Eiweiße (Proteine) dar. Die Eiweißsynthesemaschine der Zelle liest diese Tripletts eines nach dem anderen ein und verkettet entsprechend die durch das jeweilige Triplett kodierten Aminosäuren miteinander zu Proteinen. Ein Nucleotidtriplett kodiert also eine Aminosäure, ein längerer Abschnitt der DNS kodiert ein Protein.
Haare, Muskeln und Haut bestehen ja (hauptsächlich) aus Protein, aber wie kann die DNS, die nur Proteine kodiert, z. B. den Farbstoff in den Haaren kodieren? Einige Proteine werden direkt als Bausteine des Körpers benötigt, andere Proteine aber dienen ihrerseits zur Erzeugung neuer Stoffe. Diese spezielle Sorte von Proteinen nennt man Enzyme. Enzyme haben eine Oberfläche, die so beschaffen ist, daß bestimmte Stoffe sich von selbst an sie anlagern und sich dann chemisch verändern. Nach der Veränderung haften die angelagerten Stoffe nicht mehr an der Oberfläche des Enzyms, und es ist wieder frei für eine neue chemische Reaktion. Man nennt diesen Vorgang Katalyse, bei dem ein Stoff eine chemische Reaktion fördert ohne sich selbst dabei zu verändern. Der fördernde Stoff heißt Katalysator. Enzyme sind also Katalysatoren aus Eiweiß.
Damit nun aus den Grundstoffen, die der Organismus zu sich nimmt (Zucker, Fette, Aminosäuren, Wasser, Mineralien, Sauerstoff), so komplizierte Stoffe wie ein Farbstoff gebildetet werden können, muß eine ganze Kaskade von chemischen Reaktionen aufeinander folgen. Das heißt, die DNS muß eine Vielzahl von Enzymen (in der richtigen Reihenfolge) kodieren, welche nacheinander, in vielen aufeinanderfolgenden Reaktionsschritten, aus den Grundstoffen der Nahrung so komplexe Verbindungen wie Melanin, den Farbstoff in den Haaren, oder den roten Blutfarbstoff Hämoglobin aufbauen.
Die DNS liegt bei den meisten Lebewesen in mehreren sehr langen Strängen, den Chromosomen vor. Bekannt sind die Geschlechtschromosomen des Menschen, die sich auch äußerlich unterscheiden lassen: Das Y-Chromosom, das die Ausprägung des männlichen Geschlechts steuert, ist gegenüber dem X-Chromosom verkürzt. Streng genommen bezeichnen Chromosomen übrigens die kompakte Transportform der DNS, wie sie in der Zelle nur zum Zeitpunkt der Zellteilung vorliegt, wenn die Chromosomen getrennt und verdoppelt werden. In dieser Transportform ist die DNS spiralig aufgewickelt und in Proteine verpackt. Sonst liegt die DNS im Zellkern "ausgepackt" und in unübersichtlichen Knäueln vor.
Eine erbliche Eigenschaft, wie z. B. die Haarfarbe, wird also durch längere Abschnitte der DNS kodiert, welche den Aufbau des Farbstoffs ermöglichen. Solche Abschnitte nennt man Gene. Der Züchter versucht nun, Varianten (Mutationen) verschiedener Gene aufzufinden und ihre Effekte in interessanten Kombinationen zu verbinden. Die meisten züchterischen Genmutationen sind Mangelmutanten: Die DNS hat Defekte, die entsprechenden Enzyme werden nicht oder deformiert hergestellt, die Kaskade chemischer Reaktionen bricht ab, das Endprodukt wird nicht erzeugt. Wenn die Haarfarbe z. B. eine Mischfarbe ist, fehlt dann der entsprechende Farbstoff, und man sieht eine veränderte Haarfarbe, die aus der Restfarbe der anderen Farbstoffe resultiert. Ein anderes bekanntes Beispiel sind gefüllte Blüten: Diese resultieren nicht etwa aus einem Zugewinn an Struktur, sondern aus dem Ausfall von Genen, welche die Umwandlung von Blütenblättern in Staubgefäße steuern.
Die von der DNS kodierten Proteine wirken nämlich nicht nur als (1.) Baustoff (wie in Muskelfasern) und (2.) Enzyme, sondern auch direkt oder indirekt als (3.) Regler, die die Ausführung der verschiedenen Baupläne in der DNS aufeinander abstimmen: Welche chemische Reaktion wird wann und wo in welcher Stärke gefahren. Eine Störung in einem solchen Steuerungsgen würde dazu führen, daß z. B. zwar die Fähigkeit zur Erzeugung aller Farbstoffe erhalten bleibt, aber das Rezept wird nicht oder nur in geringerem Maße "abgerufen".
Wenn ein doppelter Chromosomensatz vorliegt, wie es bei den meisten Lebewesen der Fall ist, kann ein Ausfall eines Gens auf einem Chromosom oft durch das intakte Gen auf dem anderen Chromosom kompensiert werden: Die Proteine, die von diesem Gen kodiert werden, werden auch von dem einen intakten Chromosom in genügender Menge produziert, es tritt keine Störung auf. Man spricht in diesem Fall von einem "rezessiven" Merkmal, das nur sichtbar wird, wenn zwei Kopien des defekten Gens vorliegen. Umgekehrt nennt man ein Merkmal "dominant", das schon sichtbar wird, wenn nur eine Kopie des entsprechenden Gens vorliegt. Es gibt auch Zwischenstufen, in denen ein Defekt in einer der beiden Kopien des Gens zwar eine geringere Ausprägung des Merkmals, aber keinen Ausfall zur Folge hat. Auch kann ein und das selbe Gen für verschiedene Merkmale verantwortlich sein.
Aus dem Gesagten wird deutlich, wieso Mangelmutanten viel häufiger sind als andere: Es ist viel leichter, eine Veränderung durch den Ausfall einer Funktion hervorzurufen, als eine sinnvolle chemische Reaktionskette neu aufzubauen. Das erfordert weit mehr Versuche und Ausscheidung von funktionsunfähigen Exemplaren.
Liegen auf einem Chromosomenpaar jeweils Gene vor, die für die gleiche Ausprägung eines Merkmals kodiern, so spricht man von Reinerbigkeit, anderenfalls von Mischerbigkeit. Einen reinerbigen Chromosomensatz nennt man auch homozygot, einen mischerbigen heterozygot.
Den Ort eines Gens auf einem Chromosom bezeichnet man auch als "Locus", Plural "Loci".
Farbgenetik bei Mongolischen Rennmäusen
Dominante Gene werden mit großem, rezessive Genvarianten mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben. Abgesehen von der Scheckung sind alle anderen Zuchtvarianten rezessiv, während die natürlichen Gene dominant sind.
Die hochgestellten Zeichen hinter einigen Genen bezeichnen verschiedene Varianten eines Gens, die inzwischen bekannt sind.
Jedes Tier hat einen doppelten Chromosomensatz, das heißt, von jedem Gen liegen zwei Exemplare vor. Wenn bei bestimmten Genkombinationen einzelne Gene keinen Einfluß auf die Färbung haben, wird dies durch einen Strich dargestellt.
Die Färbung und Zeichnung der Rennmäuse wird durch Genvarianten auf sechs verschiedenen Chromosomen bestimmt, soweit bis jetzt bekannt.
Bei den Farbschlägen nicht aufgeführt ist das Gen für die Scheckung. Die natürliche Variante ist rezessiv (setzt sich also in Kombination mit einem dominanten Gen nicht durch) und wird "sp" abgekürzt. Die Zuchtvariante "Sp" ist dominant (und setzt sich also immer durch). Tiere mit zwei Scheckungsgenen (SpSp) sind nicht lebensfähig und sterben schon im Mutterleib ab. Das Chromosom mit dem Sp-Gen stellt übrigens ein Beispiel dafür dar, daß ein Gen hinsichtlich eines Merkmals dominant (Scheckung), hinsichtlich eines anderen (teilweise) rezessiv (Blutarmut) sein kann. Theoretisch wäre es aber auch möglich, daß es sich um zwei verschiedene Gene handelt, die immer zusammen vererbt werden, weil sie auf dem selben Chromosom liegen.
Tiere mit einer Scheckung (Spsp) sind geschwächt durch eine leichte Anämie. Diese Anämie (Mangel an rotem Blutfarbstoff bzw. roten Blutkörperchen) ist es auch, an der die homozygoten (reinerbigen) Tiere (SpSp) sterben.
Durch Farbgene bedingte Schäden
Die roten Augen, die durch einige Gene bedingt sind, bringen Sehstörungen mit sich: Diese Tiere haben Störungen bei der Weiterleitung der Nervenimpulse von der Netzhaut des Auges ins Gehirn. Wahrscheinlich leiden sie auch, je heller rot, desto stärker, an einer durch Streulicht (das im schwarzen Auge absorbiert wird) bedingten Blendung. Diese Störungen versuchen einige Tiere durch bestimmte Kopfbewegungen zu korrigieren.
Die größten Stückzahlen werden bei der Zucht von Versuchstieren erreicht, deshalb stammen viele Mutationen auch aus dieser Quelle. Die Zuchtziele gehen bei Labortieren aber leider nicht immer in Richtung größter Gesundheit. Langlebigkeit spielt z. B. bei Labortieren keine Rolle. Langjährige Züchter bemerken eine abnehmende Lebenserwartung bei Rennmäusen (auf ca. 2 bis 3 Jahre) gegenüber der Zeit, als die Tiere noch neu waren (häufiger bis zu 5 Jahre). Teilweise werden sogar schwere Störungen besonders gezüchtet, wie z. B. die Epilepsieneigung der Rennmäuse. Mit den interessanten Farben übernimmt man dann aus solchen Quellen auch die anderen, unerwünschten Defekte.
Es gibt noch andere Schäden, die nicht unmittelbar mit einem Farbgen verbunden sein müssen, die sich aber durch die Inzucht anreichern, die zur Erzielung besonderer Farben oft nötig ist. Man sollte über den hübschen Farben nicht die Gesundheit der Tiere vergessen, was aber leider oft nicht genügend Beachtung findet. Ich persönlich kann mich nicht am schönen Pelz eines Tiers freuen, wenn ich weiß, daß es dafür weniger vital ist. Auch ein robuster, lebhafter und intelligenter Charakter der Tiere ist ein lohnendes Zuchtziel!
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In der folgenden Tabelle sind diejenigen englischen Namen gekennzeichnet, die in den Show Standards der National Gerbil Society beschrieben sind. Wenn Sie die Beschreibungen von Farbschlägen dort nachlesen, beachten Sie bitte, daß dort aufgeführt ist, was den Züchtern, die sich auf diesen Standard geeinigt haben, wünschenswert erschien. Es muß nicht immer wiedergeben, was zur Zeit normal ist.
Die Anführung von Namen und der Verweis auf Standards in dieser Liste dient der Information und der internationalen Verständigung und stellt keine Empfehlung dar. Über geeignete Farbbezeichnungen und Zuchtnormen und -ziele herrschen, wie gesagt, verschiedene Ansichten.
Genotyp
deutsch
englisch
-- C- efef G- P-
(Orange-) Schimmel
schimmel, mould
-- CC efef gg PP
schwarzaugen-weiß / Silberschimmel
black eyed white (BEW) / silver schimmel
-- CC efef G- pp
Rotaugen-Schimmel
red eyed schimmel, sandy
-- cbcb efef -- PP
schwarzaugen-weiß
black eyed white (BEW)
-- chch -- -- pp
rotaugen-weiß [hellrote Augen]
pink eyed white1 (PEW)
-- chch E- -- P-
Hermelin [rote Augen]
dark tailed white (DTW)
A- C- E- G- P-
(wild-) agouti
golden agouti / white bellied agouti golden1
A- C- E- gg P-
silberagouti
grey agouti / white bellied grey agouti1
A- CC E- G- pp
gold
argente golden1
A- CC E- gg pp
elfenbein
ivory cream
A- CC ee G- P-
Algier- od. Algerierfuchs
sooty fawn1 / dark eyed honey (DEH) /
Algerian / golden fox
A- CC ee G- pp
Goldfuchs
yellow fox
A- CC ee gg P-
Polarfuchs
polar fox
A- CC ee gg pp
apricot / Blaßfuchs
apricot
A- Cch E- G- pp
gold, hell
argente cream1
A- Cch E- gg pp
elfenbein, hell
ivory cream, light
A- cbcb E- G- P-
colourpoint agouti
colourpoint agouti
A- cbcb E- gg P-
colourpoint silberagouti
[ähnlich Polarfuchs]pearl1 / smoke / colourpoint grey agouti
[similar to polar fox]
A- cbch E- G- P-
colourpoint agouti, hell
light colourpoint agouti
aa C- E- G- P-
schwarz
black1
aa C- E- gg P-
anthrazit
slate1
aa CC E- G- pp
platin / grau
lilac1
aa CC E- gg pp
altweiß
ruby eyed white1 (REW)
aa CC ee G- P-
Kohlfuchs
nutmeg
aa CC ee G- pp
Rotfuchs
argente nutmeg
aa CC ee gg P-
Blaufuchs
silver nutmeg
aa Ccb E- G- pp
saphir [zwischen platin und platin, hell]
sapphire [in between lilac and dove]
aa Cch E- G- pp
platin, hell
dove1
aa cbcb E- G- P-
burma / Marder
Burmese1
aa cbcb E- gg P-
Zobel
colourpoint slate
aa cbch E- G- P-
siam / Marder, hell
Siamese1
Anmerkungen:
1 Dies sind Bezeichnungen von durch die National Gerbil Society aufgestellten show standards.
A, C und E bestimmen die Farbverteilung, G und P steuern jeweils die Produktion eines Pigments (Farbstoffs).
Effekt auf | dominant | rezessiv | ||
---|---|---|---|---|
schwarzbraunes Pigment (Eumelanin) | P | schwarze Augen, dunkles Fell | p | rote oder hellrote Augen, helleres Fell |
rotgoldenes Pigment (Phäomelanin) | G | Goldfärbung | g | gold wird zu weiß |
Farbverteilung (und -Intensität) | A | Agouti-Muster (weißer Bauch, Rücken meliert) |
a | einheitliche Farbverteilung, Abdunkelung der Farbe |
Farbintensität und -Verteilung | C | volle Ausprägung der Färbung | ch | Fell und Augen werden vom Kopf ausgehend aufgehellt, der Schwanz behält einen größeren Rest von Farbe. |
cb | "Colourpoint"-Farbverteilung. Wie ch, aber schwächerer Aufhellungseffekt. | |||
Effekt auf das Verhältnis von schwarzem und goldenem Farbanteil | E | normale Färbung | e | Unterdrückung von Schwarz (gibt Goldtöne) |
ef | s. o.: Goldfärbung, zusätzlich aber Ausbleichen dieser Färbung mit Beginn der Geschlechtsreife | |||
Scheckung | Sp | Scheckung | sp | keine Scheckung |
Locus | Kombination | Effekt |
---|---|---|
A | A- | Agouti-Farbverteilung (heller Bauch und melierter Rücken) |
aa | einheitliche Farbverteilung (ohne hellere Bauchfärbung) | |
P | P- | schwarze Augen |
pp | (hell-) rote Augen, hellere Fellfarbe | |
C | CC | volle Ausprägung der Färbung |
cb | cb und ch bewirken Akromelanismus, d.h. der Körper ist heller, während Nase, Ohren, Schwanz und Pfoten dunkler gefärbt sind. |
|
ch | ||
Cch + P- | ein P-Gen neutralisiert die Wirkung eines einzelnen ch-Gens | |
Cch + pp | hellere Fellfarbe | |
chch | weißes Tier, das einen schwarzen Schwanz haben kann | |
Ccb | normale Färbung | |
cbcb | "Colourpoint-" oder Burmesen-Farbverteilung | |
cbch | "Colourpoint" aber heller (Siamesen) | |
E | E- | normale Färbung |
ee | der blaugraue Haaransatz des Agoutimusters wird gelb | |
ee + aa | dunkles Agoutimuster, Bauch nicht weiß aber ein wenig heller als der Rücken | |
S | Spsp | Scheckung: weiße Flecken an Nase, Kopf, Nacken; weißer Bauch (und Pfoten?); weiße Schwanzspitze |
spsp | keine Scheckung | |
SpSp | Tiere sterben noch vor der Geburt |