Wahrnehmen- Dieser Begriff ist schwer ins Japanische zu uebersetzen. Dabei handelt es sich um fuenf Sinne, naemlich Hoeren, Sehen, Spueren, Riechen und Schmecken. Im Japanischen Worterbuch gibt man den beiden Woertern "Wahrnehmung" und "Sinn" dieselbe Uebersetzung "Chikaku". Aber die Beiden sollten meiner Meinung nach anders uebersetzt werden. Was man von seiner Umgebung durch die Sinnesorgane sammelt, verarbeitet man in seinem Gehirn. Erst dadurch ist man in der Lage, seine Umgebung "wahrzunehmen". Dem Wort "Chikaku" fehlt meines Erachtens jedoch die Nuance dieses Verarbeitungsprozesses. Es gibt aber eine Krankheit, bei der dieser Verarbeitungsvorgang offenbar versagt: Autismus. Anhand seiner Symptome moechte ich auf das Thema "Wahrnehmen" eingehen. Frueher behauptete man, Autismus wird von dem falschen Umgang der Eltern mit Kindern ausgeloest. Inzwischen ist es jedoch geklaert, dass es sich um eine Stoerung eines Teils des Gehirns handelt. Autismus ist also eine angeborene Krankheit. Das Krankheitsbild der Leidenden ist sehr vielfaeltig, aber die meisten haben Probleme bei der Verarbeitung von Informationen, die durch "Augen" und "Ohren" erworben werden. Immerhin sind ihre Seh- und Hoerfunktion in Ordnung. Ein autistischer Kranke kann das Gesicht von Fremden schwer behalten, weil er vermutlich das Merkmal einzelner Gesichter nicht deutlich erkennen kann. Ausserdem kann er den Gesichtsausdruck der anderen manchmal nicht richtig ablesen, weil er ihm wie ein stillstehendes Bild vorkommt. Die Welt sieht man normalerweise wie einen Film, denn die Wesen sind staendig in Bewegung. Aber es fehlt den Autisten offenbar die Faehigkeit, Dinge im zeitlichen Ablauf zu betrachten oder anders gesagt einen Zusammenhang verschiedener Elemente zu erkennen.
Was bedeutet dann, einen Zusammenhang zu erkennen? Dinge in ihrem Zusammenhang zu erkennen ist z.B., dass man ungefaehr voraussieht, was da im naechsten Moment kommen koennte. Autistische Kranke bekommen oft Aerger mit Mitschuelern oder Kollegen, da sie nicht kalkulieren koennen, was ihr Verhalten bei den anderen zur Folge haben koennte. Man zeigt einem Kranken eine Zeichnung, worauf sich ein schlau wirkender Junge hinter der Mauer versteckt, waehrend ein anderer Junge mit dem Schlaeger in der Hand von einem Erwachsenen zurechtgewiesen wird. Dabei ist das Fenster eines Hauses kaputt. Vor dem kaputten Fenster ist ein Baseball mitten in den Glasssplittern zu sehen. Der Junge scheint, etwas zu behaupten. (Wahrscheinlich beteuert er seine Unschuld.) In diesem Fall vermutet man normalerweise, dass der Junge hinter der Mauer das Fenster kaputt gemacht hat. Aber der Autist kann diesen Zusammenhang nicht sehen und glaubt einfach, dass der Junge mit dem Schlaeger der Taeter ist, weil er vor dem wuetenden Erwachsenen steht. Immerhin sind viele, die an Autismus leiden, normal intelligent oder weisen sogar einen hohen Intelligenzquotient auf. Deshalb ist dieses Missverstaendnis alleine auf die Stoerung des Wahrnehmungsprozesses zurueckzufuehren. Es laesst sich vermuten, dass der Kranke die Beteiligten auf dem Bild nicht richtig einschaetzen kann und deshalb jedem dasselbe Gewicht gibt. Wir machen aber selbstverstaendlich auf den hinter der Mauer versteckten Jungen aufmerksam. Ein anderes Beispiel: Man liess einem Erkrankten einen Baum malen. Er malte dann einzelne Blaetter sehr ausfuehrlich aber konnte den Baum im ganzen nicht darstellen. Er beharrte also auf Details und konnte sich von der Gesamtheit kein Bild machen. Noch ein interessantes Beispiel: Ein Patient ist manchmal nicht in der Lage, mit seinem Gepraechspartner ordentlich zu kommunizieren, insbesondere wenn er sich im Trubel befindet: Er kann die Stimme seines Partners und den Laerm seiner Umgebung nicht unterscheiden. Ihm ist es offenbar nicht gelungen, dem Gespraechspartner die Prioritaet zu geben und sich auf ihn zu konzentrieren. Wir kommen also langsam zum Kernpunkt: Wahrnehmen ist meiner Meinung nach eine Art "Filterfunktion", in der Informationen je nach Wichtigkeit sortiert werden. Mit Hilfe dieser Funktion kann man feststellen, worin der Schwerpunkt liegt. Was man fuer wichtig haelt, ist allerdings je nach Person unterschiedlich. Gerade deshalb tauchen verschiedene Interpretationen auf. Bei den autistischen Kranken ist es jedoch nicht immer der Fall. Sie lassen alle Informationen durch und sind oft nicht imstande, diese zu selektieren. Eine Patientin berichtet: Ihre Lieblingsbeschaeftigung ist, sich das Kaleidoskop anzuschauen, da die dort zufaellig entstehenden Figuren ueber keine Bedeutung verfuegen. Sie braucht sie weder zu analysieren noch zu verstehen. Autismus-Forscher meinen: Die Autisten haben auch eine kostbare Welt, auch wenn sie fuer uns kaum vorstellbar ist und deshalb sonderbar wirkt. In der Tat gibt es einige autistische Kranke, die insbesondere im kuenstlerischen Bereich erfolgreich agieren, wie z.B der Komponist Hikaru Oe, der Sohn des Schriftstellers Kenzaburo Oe. Er schafft eine Musik, die von den anderen nie nachgeahmt werden koennte, da sich in seinem Inneren eine Tonwelt entfaltet, die wir nicht "hoeren" koennen.
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